24/11/2017

Im Rahmen eines Vortrags zur Atmung des Ökosystems in den äquatorialen feuchten Tropen präsentierte Univ.-Prof. Dr. Jörg Matschullat vom Interdisziplinären Ökologischen Zentrum der TU Bergakademie Freiberg erste Ergebnisse des Projektes EcoRespira-Amazon. Dabei wurde im brasilianischen Amazonasbecken an 13 Orten der Kohlenstoff- und Stickstoffausstoß gemessen. Es zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Primärwald und landwirtschaftlich genutzten Böden, und auch die Notwendigkeit für genaue und wiederholte Messungen, um robuste Ergebnisse zu erzielen.

Schließlich unterscheiden sich die Messwerte je nach Bodenbeschaffenheit, aber auch je nach Temperatur und Jahreszeit stark – ein Faktor, der in bisherigen Studien zu wenig berücksichtigt wurde, wie Jörg Matschullat, der Direktor des Interdisziplinären Ökologischen Zentrums der TU Bergakademie Freiberg und Kooperationspartner des Departments für Wissens- und Kommunikationsmanagement, in seinem Vortrag Mitte November 2017 an der Donau-Universität Krems ausführte. Abseits aller Schwankungen zeigen erste Studienergebnisse, dass der Primärwald dabei hilft, Extremwerte zu kompensieren.

Generell nimmt der Boden – sowohl der Untergrund als auch die Waldstreuschicht – über verschiedene Faktoren starken Einfluss auf den Stickstoff- und Kohlenstoffwechsel. Laut Jörg Matschullat geht man derzeit davon aus, dass die Boden-Emissionen rund 21 Prozent des gesamten Kohlenstoff- und Stickstoff-Ausstoßes ausmachen. Im Zuge des Projektes EcoRespira-Amazon, das in Zusammenarbeit mit brasilianischen und deutschen Partnerinstitutionen durchgeführt wurde, wurde jeweils Kohlendioxid und Distickstoffmonoxid gemessen, aber auch Faktoren wie die Leitfähigkeit, der pH-Wert oder die Zusammensetzung des Bodens sowie der Waldstreuschicht berücksichtigt.

Extreme bis ins Jahr 2100
Großen Einfluss haben dabei Faktoren wie beispielsweise die Temperatur, betonte Jörg Matschullat, wobei die Atmung des Ökosystems jeweils durch große Hitze sowie Kälte unterdrückt wird. In der Auswahl des Forschungszeitpunkts kam dem Team das Glück zu Hilfe: 2016 und 2017 konnten sie zunächst eine schwache Regenzeit (entsprechend einer normalen Trockenzeit), danach eine extreme Trockenzeit und anschließend eine stark überdurchschnittlich feuchte Regenzeit erleben und vermessen: „Dadurch haben wir Daten erhalten, um alle Extreme bis zum Jahr 2100 zu modellieren“, erklärte der Wissenschaftler.

Bisherige Studien zur Ökosystematmung seien Großteils in der nördlichen Hemisphäre durchgeführt worden, kritisierte Jörg Matschullat, wodurch „diese Daten nicht besonders hilfreich sind, um verschiedene Ökosysteme im globalen Süden zu beurteilen“. Insbesondere zum Bereich der äquatorialen feuchten Tropen gehe man daher teilweise von falschen Grundannahmen aus. Zudem seien diejenigen Studien, die im Süden durchgeführt wurden, aus verschiedenen Gründen „völlig unzureichend“, so der Wissenschaftler von der TU Freiberg.

Schwankungen größer als bisher angenommen
Vor allem hätte sich im Rahmen des Projektes EcoRespira-Amazon gezeigt, dass die Schwankungen innerhalb eines Jahres – beispielsweise zwischen Regenzeit und Trockenperioden, aber auch je nach Dicke der Waldstreu-Schicht – teilweise größer sind als Unterschiede zwischen den verschiedenen Messpunkten. Bisherige Studien hätten diese Schwankungen jedoch keineswegs berücksichtigt und teils nur einmal pro Jahr gemessen. Sogar das Vorhandensein seltener Erden würde beachtlichen Jahresschwankungen unterliegen, was auch für das Projektteam überraschend gewesen sei, erklärte Jörg Matschullat. Auch innerhalb des Amazonasbeckens gebe es große Unterschiede, sogar bei gleicher Bodenbeschaffenheit.

Die vorhandenen bisherigen Studien hätten zudem – vor allem aus Kostengründen – zu ungenaue Instrumente zur Messung der Leitfähigkeit sowie des pH-Wertes verwendet, wodurch die Werte verfälscht würden. Diese Details mit einzubeziehen, sei jedoch „absolut notwendig“, um ein aussagefähiges Gesamtergebnis zu erzielen, so Jörg Matschullat. So würden die Projektergebnisse auch teilweise stark von Ergebnissen bisheriger Studien abweichen.

Radikaler Abholzungsprozess
Derzeit finde im Amazonasbecken nach wie vor ein radikaler Abholzungsprozess statt, der durch den Straßenbau beschleunigt wird. Insbesondere entlang der neuen Routen werde massiv Brandrodung betrieben, so der Wissenschaftler. Zwar finde diesbezüglich in Brasilien ein langsamer Einstellungswandel statt: „Doch wenn sich dieser Umdenkprozess nicht deutlich beschleunigt, stehen wir durch die Abholzung vor einem radikalen Wandel“, warnte Jörg Matschullat.

Univ.-Prof. Dr. Gerald Steiner, Dekan der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung und Leiter des Departments für Wissens- und Kommunikationsmanagement der Donau-Universität Krems, betonte auch vor diesem Hintergrund die Bedeutung der interdisziplinären sowie transdisziplinären Kooperationen.

 

Galerie: Vortrag Jörg Matschullat

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Ing. Dr. Bernhard Geissler, MSc MSc BSc BSc

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