04.09.2018

Im Rahmen des Faculty Talks „Alle Macht den digitalen Plattformen“ diskutierten die deutsche Politikwissenschafterin Julia Krüger sowie E-Governance-Experte Peter Parycek und Rechtswissenschaftler Clemens Appl von der Donau-Universität Krems Wege und Irrwege der Regulierung von Plattformen wie Youtube, Facebook oder Uber. Die geplante Reform des EU-Urheberrechts und der viel diskutierte Uploadfilter sorgten für teils hitzige Diskussionen.

Digitale Plattformen wie Amazon, Wikipedia, Facebook, Youtube oder Uber vernetzen die Anbieter von Produkten, Inhalten, Videos oder Dienstleistungen und deren UserInnen – und das meist kostenfrei, wie Univ.-Prof. Dr. Peter Parycek, MAS, MSc von der Donau-Universität Krems im Rahmen des Faculty Talks der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung erklärte. Die kommerziellen Plattformen finanzieren sich vielfach über Werbung und sammeln Daten, um diese gezielt zu platzieren: „Der for-free-Gedanke hat letztendlich zur exponentiellen Zunahme der Datensammlung beigetragen, die umgangssprachlich auch als Datensammelwut beziehungsweise Datensammel-Rausch bezeichnet wird“, so der Leiter des Departments für E-Governance in Wirtschaft und Verwaltung.

Filterblasen und Echoräume
Plattformen nutzen ihre Daten auch dazu, den UserInnen je nach ihrem Interesse nur bestimmte Inhalte anzuzeigen und andere auszublenden – doch welche Algorithmen dahinterstecken, bleibt für gewöhnlich verborgen. Studien zeigen jedoch: „So bedient Facebook nicht nur die Interessen der UserInnen, sondern verstärkt sie in den so genannten Filterblasen und Echoräumen – mit relativ fatalen Folgen für die Meinungsbildung und die ganze Gesellschaft“, erklärte die diplomierte Soziologin und Politologin Julia Krüger, die unter anderem für die Bertelsmann Stiftung und netzpolitik.org tätig war.

Die wenigen Studien, die es in diesem Bereich gebe, seien jedoch stark umstritten – es bedürfe hier dringend weiterer Forschung. „Als ersten Schritt brauchen wir also mehr Transparenz über die Datenerhebung und -nutzung durch die digitalen Plattformen“, forderte die Netzaktivistin und Wissenschafterin. Das sei auch insofern wichtig, als dies auch Möglichkeiten für Start-ups eröffne – schließlich habe die bisherige Praxis dazu geführt, dass im Bereich der Plattformen Monopole und Oligopole entstanden sind, betonte Peter Parycek.

Pflichten für Plattformbetreiber

Aus rechtswissenschaftlicher Sicht würden die Plattformen auch bestimmte Pflichten treffen, erklärte Univ.-Prof. Dr. Clemens Appl, LL.M., Leiter des Departments für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen an der Donau-Universität Krems, „und zwar ab dem Moment, ab dem Angebote zu einem einheitlichen Nutzererlebnis aggregiert werden und die Plattform eine aktive Rolle in der Bewerbung dieser Inhalte spielt“.

Kennzeichnend für Plattformen sei, dass aus Nutzersicht nicht der tatsächliche Anbieter, sondern vielmehr der Plattformbetreiber im Vordergrund stehe: Man schaut „Youtube-Videos“, bucht ein Uber, kauft auf Ebay oder reist mit Airbnb. Wenngleich Plattformen von der aktiven Aufbereitung fremder Angebote klar profitieren, „verstecken sie sich hinsichtlich der Haftung gerne hinter dem eigentlichen Anbieter oder Uploader“, kritisierte der Universitätsprofessor für Internationales, Europäisches und Österreichisches Urheberrecht an der Donau-Universität Krems.

EU-Urheberrechtsreform aus unterschiedlichen Perspektiven
Die EU-Urheberrechtreform, über die demnächst im europäischen Parlament neuerlich abgestimmt wird, ist daher Clemens Appl zufolge ein Schritt in die richtige Richtung. Der EU-Gesetzgeber hätte damit die Möglichkeit klarzustellen, dass bestimmte kommerzielle Plattformen, die von Nutzern hochgeladene Inhalte aggregieren und eine aktive Rolle bei der Darbietung dieser Inhalte spielen, unmittelbar urheberrechtlich haftbar sind.

Nur wenn diese Plattformen „effektive und angemessene Maßnahmen“ ergreifen, um Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer zu verhindern, könne nach dem Richtlinienvorschlag eine unmittelbare Haftung entfallen. Welche Maßnahmen dabei als ausreichend gelten, wäre schließlich plattformabhängig zu beurteilen. Folglich erscheinen, so Appl, die viel diskutierten automatisierten Upload-Filter nur als eine Möglichkeit unter vielen, aber keinesfalls als alternativlos.

Uploadfilter quasi aus der Portokasse
E-Government-Experte Peter Parycek nahm diesbezüglich eine konträre Position ein: „Ich bin kein Feind des Urheberrechts, aber ich möchte gerne einen lebendigen Wettbewerb haben.“ Die großen Plattformen könnten Uploadfilter oder Filterung durch Menschen („Cleaners“) quasi aus der Portokasse bezahlen; kleine Firmen oder Start-ups wären da stark im Nachteil bzw. würden keine Finanzierungen bekommen. „Zudem ist für mich die Vorstellung eines Uploadfilters, der ohne Transparenz von den Plattformen selbst gesteuert wird, auch demokratiepolitisch dystopisch“, so Peter Parycek.

Auch Julia Krüger sprach sich dafür aus, solche selbstlernenden Filtersysteme zunächst genauer zu erforschen. „Die Plattformen dazu zu verpflichten, Filter einzusetzen, bevor wir genau wissen, wie sie funktionieren, finde ich unverantwortlich – das ist ein Experiment an der lebendigen Demokratie“, so die Politikwissenschafterin und wissenschaftliche Referentin der deutschen Bundestagsabgeordneten Saskia Esken. Der Rechtswissenschafter Clemens Appl plädierte hingegen dafür, nicht das Urheberrecht zu unterwandern, sondern gegen Monopole mit Hilfe des Wettbewerbsrechts vorzugehen.

Von Niedrigzins bis Klimawandel
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Faculty Talk der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung werden in Form von Kamingesprächen und Podiumsdiskussionen aktuelle Trends und Umbrüche in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik diskutiert. Bisherige Themen umfassten Klimapolitik und Firmenstrategie, die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank sowie die Rolle von Infotainment bei Wahlen. Die Veranstaltungsreihe richtet sich an Vortragende, Studierende und AbsolventInnen der Donau-Universität Krems ebenso wie an Partnerinstitutionen und die interessierte Öffentlichkeit.

Rückfragen

Mag. Dr. Heidemarie Weinhäupl

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