14.11.2025

Formale Disziplinarverfahren richten in vielen Organisationskontexten erheblichen Schaden an. Sie greifen tief in Arbeitsbeziehungen ein und erzeugen Belastungen, die weit über den eigentlichen Konflikt hinausreichen. „Die Schäden treffen nicht nur Betroffene. Sie belasten auch die Personen, die Verfahren führen, prägen die Kultur von Teams und Organisationen im Gesundheitssystem – und wirken sich auf Reputation und Wirtschaftlichkeit aus. Vieles davon ist vermeidbar“, sagt Doris A. Behrens, Professorin für Healthcare Management an der Universität für Weiterbildung Krems.

Disziplinaruntersuchungen werden in der Praxis häufig eingeleitet, bevor andere Wege ausgeschöpft sind. Oft werden sie aus Gründen der Risikoaversion angestoßen, um Regelkonformität sichtbar herzustellen – nicht, um den Sachverhalt lernorientiert aufzuarbeiten, was gerade im Gesundheitswesen essenziell wäre. So entsteht eine Kultur des Erstarrens: Mitgefühl schwindet, Lernen bleibt aus, und konstruktive Zusammenarbeit erodiert. Obwohl solche Verfahren selten sind, entfalten sie eine übergroße Signalwirkung – und prägen die HR-Kultur weit stärker, als den meisten bewusst ist.

Die neue Publikation Under Investigation: Transforming Disciplinary Practice in the Workplace (Bristol University Press, 2025) dokumentiert die verbreiteten Schäden formaler Disziplinarverfahren, von psychischen Belastungen und Reputationsrisiken über finanzielle Härten bis hin zu familiären Belastungen. Das Buch macht deutlich, wie stark sich die gängige Praxis in Organisationen auswirkt. Konfliktkosten in Milliardenhöhe – alleine im Vereinigten Königreich sprechen Schätzungen von umgerechnet rund 32,4 Milliarden Euro jährlich – wären zu einem erheblichen Teil vermeidbar.

Wirksamere Lösungsansätze

Im Band werden zugleich Wege aufgezeigt, wie Disziplinarpraxis anders gestaltet werden kann. Doris A. Behrens beschreibt in ihrem Beitrag etwa, wie eine britische Gesundheitsorganisation durch konsequente informelle Klärung, wo immer möglich, im Rahmen eines Quality-Improvement-Ansatzes die Zahl formaler Untersuchungen und damit auch Fehlzeiten deutlich reduzieren konnte. 

Ihr Beitrag macht sichtbar, dass veränderte Vorgehensweisen nicht nur Belastungen mindern, sondern auch die Funktionsfähigkeit von Teams und die Wirtschaftlichkeit von Organisationen steigern. „Das Buch zeigt, wie Unternehmen Disziplinarpolitik und -prozesse verbessern können, und ruft die HR-Profession dazu auf, diesen Wandel proaktiv voranzutreiben“, sagt Behrens.

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