Am 22. Oktober 2025 fand an der Universität für Weiterbildung Krems die 23. Sicherheitskonferenz statt. Unter dem Titel „Wie viel Sicherheit braucht unsere Freiheit?“ diskutierten Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft, Recht, Militär und Technik das Spannungsfeld zwischen persönlicher Freiheit und öffentlicher Sicherheit.
Im Mittelpunkt stand die Frage, wie Demokratien Stabilität gewährleisten können, ohne die Freiheit des Einzelnen einzuschränken – ein Thema, das angesichts aktueller Krisen, Kriege und geopolitischer Spannungen nichts an Aktualität verloren hat. Nach kurzen Begrüßungsworten von Walter Seböck, Leiter des Departments für Sicherheitsforschung, und von Stefan Oppl, Vizerektor für Lehre und Studierende, begann das Programm mit der Keynote von Arnold Kammel, Generalsekretär des Bundesministeriums für Landesverteidigung.
Grundpfeiler der Demokratie
Unter dem Titel „Freiheit oder Sicherheit? Eine Herausforderung für moderne Demokratien“ betonte Kammel die Bedeutung des Themas in einer von Kriegen, Krisen und geopolitischen Spannungen geprägten Weltlage. Freiheit und Sicherheit, so Kammel, seien keine Selbstverständlichkeiten, sondern Grundpfeiler, die aktiv geschützt und verteidigt werden müssten, insbesondere in Zeiten, in denen autoritäre Systeme und hybride Bedrohungen demokratische Gesellschaften herausfordern.
Kammel zeichnete das Bild einer multipolaren, von Machtpolitik und Abhängigkeiten bestimmten Welt, in der das europäische Lebensmodell unter Druck geraten sei. Er hob hervor, dass Freiheit und Sicherheit keine Gegensätze, sondern wechselseitig bedingte Werte seien, „kommunizierende Gefäße“, wie er formulierte. Beide könnten nur dann gewährleistet werden, wenn Staaten bereit seien, Verantwortung zu übernehmen und in ihre Sicherheit zu investieren. Er erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Begrifflichkeit einer umfassenden Landesverteidigung. Diese umfasse nicht nur das Militär, sondern auch wirtschaftliche, zivile und geistige Dimensionen, die gemeinsam die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft bilden.
Mit Blick auf aktuelle und künftige Herausforderungen – von neuen Technologien über Desinformation bis zur strategischen Abhängigkeit Europas – plädierte Kammel für mehr Autonomie und Eigenständigkeit. Sicherheitspolitik dürfe sich nicht allein auf militärische Aspekte beschränken, sondern müsse gesellschaftlich getragen und technologisch untermauert sein. In seinem Schlussappell forderte er dazu auf, Freiheit und Sicherheit nicht nur akademisch zu diskutieren, sondern sie im Alltag zu leben und für kommende Generationen zu bewahren.
Eine Frage der Wahrnehmung
Anschließend beleuchtete Univ.-Prof. Peter Filzmaier in seinem Vortrag „Das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit in der Demokratie“ das Spannungsverhältnis aus Sicht der Politik- und Kommunikationswissenschaft. Sicherheit und Freiheit, so Filzmaier, seien nicht allein juristische oder militärische Fragen, sondern tief in der Wahrnehmung und Kommunikation moderner Gesellschaften verankert.
Anhand eines Gedankenexperiments machte Filzmaier deutlich, dass dieselbe Maßnahme zugleich Sicherheit schaffen und Freiheit einschränken könne. Die Rolle öffentlicher Kommunikation stand im Zentrum: Medien und Politik würden laut Filzmaier durch Überdramatisierung einzelner Ereignisse oft Unsicherheitsgefühle verstärken – nicht aus böser Absicht, sondern weil Sicherheit in Wahlkämpfen und öffentlicher Debatte zum politischen Faktor geworden sei.
Filzmaier erklärte, dass objektive Statistiken oft im Widerspruch zu subjektiven Eindrücken stünden. Es entstehe ein Dilemma, wenn Menschen ihre Sicherheit nach Gefühlen und nicht nach Kriminalitätsstatistiken oder Studien über Bedrohungen beurteilten. Dann könne die Mehrheit etwas empfinden, das objektiv falsch, für sie selbst aber subjektiv richtig sei. Er plädierte daher für eine differenzierte Kommunikationskultur, die Vertrauen in Institutionen stärkt, anstatt Ängste zu schüren.
Vertrauen sei eine zentrale Voraussetzung für die Akzeptanz sicherheitspolitischer Maßnahmen, insbesondere in Organisationen, die außerhalb des parteipolitischen Wettbewerbs stehen, etwa im Militär, in der Bildung und in der Forschung. Abschließend forderte Filzmaier, die öffentliche Diskussion über Sicherheit und Freiheit inklusiver zu gestalten: Nur eine Kommunikation, die Emotion und Aufklärung verbindet, könne Sicherheit als gemeinsamen Wert vermitteln, ohne Freiheit zu gefährden.
Zwischen digitaler Bedrohung und gesellschaftlicher Resilienz
Im Anschluss daran spannte eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Sicherheitskonferenz einen weiten Bogen von klassischen Fragen der äußeren Sicherheit bis zu gesellschaftlichen Herausforderungen im digitalen Raum. Im Zentrum stand das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit; nicht als Gegensätze, sondern als miteinander verflochtene Grundwerte. Vertreter_innen aus Recht, Militär, Wissenschaft, Medizin und Technik beleuchteten, wie stark sich das Verständnis von Sicherheit durch Digitalisierung, Desinformation und globale Krisen verändert hat. Dabei wurde betont, dass Sicherheit heute weit über den physischen Schutz hinausgeht und auch die Resilienz demokratischer Systeme umfasst.
Besonders eindrücklich wurde diskutiert, wie sich Sicherheit im Alltag zeigt, etwa in der Schule, im Umgang mit sozialen Medien oder bei Fragen der Kinder- und Jugendschutzpolitik. Die zunehmende psychische Belastung junger Menschen durch unkontrollierten Internetkonsum, mangelnde Schutzmechanismen und unzureichende Prävention stand dabei ebenso im Fokus wie die Rolle der Eltern und Schulen. Mehrere Stimmen forderten klare gesetzliche Rahmenbedingungen sowie eine bessere digitale Bildung, um Kinder vor Überforderung, Desinformation und Suchtmechanismen zu schützen. Prävention statt Repression wurde als Schlüssel zu einer nachhaltigen Sicherheitskultur hervorgehoben.
Auf der geopolitischen Ebene reichten die Themen von Cyberbedrohungen bis zur militärischen Drohnenabwehr. Ein Vertreter des Bundesheeres erläuterte, wie sich Österreich auf neue Sicherheitslagen vorbereitet und welche rechtlichen Grenzen für militärische Einsätze im Inneren bestehen. Juristische und ethische Fragen – etwa, wann Eingriffe in Grundrechte zulässig sind – führten zur Erkenntnis, dass Sicherheit ohne demokratische Legitimation nicht denkbar ist. Die Diskussion machte deutlich, dass Freiheit und Sicherheit nur gemeinsam tragfähig sind: als Balance zwischen Schutz und Verantwortung, als Ausdruck eines gesellschaftlichen Vertrauens, das immer wieder neu verhandelt werden muss.
Im Umbruch
Abschließend spannten Jutta Edthofer vom Bundeskanzleramt und Mina Schütz vom Austrian Institute of Technology den Bogen von der sicherheitspolitischen Gegenwart zur digitalen Zukunft. Edthofer beschrieb die europäische und österreichische Sicherheitsarchitektur im Wandel, von der umfassenden Landesverteidigung bis zu neuen EU-Initiativen wie dem „Democracy Shield“. Schütz zeigte auf, wie Künstliche Intelligenz und technologische Entwicklungen Freiheit und Sicherheit gleichermaßen herausfordern. Auch sie zeigten, dass Sicherheit heute nicht mehr ausschließlich militärisch verstanden werden sollte, sondern Bildung, Forschung, Regulierung und gesellschaftliches Bewusstsein voraussetzt. Nur das Zusammenspiel dieser Bereiche kann gewährleisten, dass demokratische Stabilität auch in einer zunehmend digitalen Welt erhalten bleibt.
Zum Abschluss der Konferenz gab Moderatorin Ingeborg Zeller den rund 160 Teilnehmenden ein Zitat von Benjamin Franklin mit auf den Weg: „Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren.“ Und verabschiedete das Publikum mit den Worten: „Die Debatte endet hier nicht – sie beginnt mit jedem neuen Tag von Neuem. Und das ist gut so.“
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