16.10.2019

Der Saal in der Bibliothek des Europäischen Parlaments (EP) war gut besucht aus Anlass einer Mittagsdebatte zwischen Prof. Dr.  Ulrike Guérot von der Donau-Universität in Krems und Karl-Heinz Lambertz, dem Präsidenten des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR). Gut 100 Mitarbeiter*innen der Parlamentsverwaltung, anderer EU-Institutionen und der nationalen und regionalen Vertretungen sowie von Think-Tanks und Stiftungen in Brüssel wollten am 16. Oktober gerne hören, was die beiden zur Lage der Europäischen Union (EU) nach den Wahlen zum EP und der Rolle der Regionen und Städte zu sagen hatten.

Im Mai hatte die Europawahl mit über 50% die höchste Beteiligung seit 20 Jahren gebracht und gleichzeitig die bisherige absolute Mehrheit von Europäischer Volkspartei und Sozialdemokraten im EP gekippt. Im Nachgang hatte die die designierte Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, einen ambitionierten, aber auch holprigen Start hingelegt, bei dem drei ihrer 26 Kommissarskandidaten*innen in der Anhörungen im EP im September und Oktober durchgefallen waren. Der Vorschlag von der Leyens, die Zukunft Europas im Rahmen einer zweijährigen Konferenz zu diskutieren, bei der Bürger*innen gleichberechtigt mit Politikern*innen konkrete Vorschläge für Gesetzesvorhaben ausarbeiten sollen, stand dann auch gleich im Mittelpunkt der Diskussion. „Wenn eine solche Konferenz nicht auch die Leute in einem kleinen Dorf im Westen Irlands einbezieht, können wir sie gleich wieder vergessen!“ sagte die Vize-Präsidentin des EP, Mairead McGuinness, zur Begrüßung und hob die Initiative eines permanenten Bürgerdialogs hervor, wie er kürzlich in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens eingeführt wurde. Prof. Dr. Ulrike Guérot betonte, dass eine echte Beteiligung der Bürger*innen in EU-Angelegenheiten dann gegeben sei, wenn sie alle vor dem EU-Recht gleich seien, was aktuell nicht der Fall sei. „In einer Demokratie werden die Bürger*innen nicht konsultiert, sondern sie entscheiden!“ Dem Binnenmarkt und der gemeinsamen Währung müsse die europäische Bürgerschaft folgen, die individuelle Rechte einklagbar machte. Präsident Lambertz stellte darüber hinaus die mit der Finanzkrise von 2008 gestiegene wirtschaftliche und soziale Ungleichheit zwischen den Regionen der EU in den Vordergrund. „Es ist eben auch fast jeder Zweite nicht zur Europawahl gegangen für und in vielen Teilen der EU hat steigende Ungleichheit zu Stimmengewinnen für Parteien geführt, die eine Rückkehr zum Nationalen für die Lösung globaler Probleme wie Klimawandel und Migration halten.“ Er mahnte an, dass die EU entschlossener vorangehen müsse und eben nicht Fördermittel für ärmere Regionen aus den EU-Strukturfonds weiter kürzen dürfe, wie dies die Finanzminister*innen der Mitgliedstaaten gerade diskutierten. Hier wusste er sich mit Younous Omarjee, dem Vorsitzenden des Regionalausschusses des EP einig, der ebenfalls an der Veranstaltung teilnahm.

Die heisse Phase der EU-Finanzverhandlungen wird sich nach Einschätzungen vor Ort noch bis ins Frühjahr 2020 hinziehen. Dann ist auch zu erwarten, dass das Konzept der „Konferenz zur Zukunft Europas“ und die Rolle, die Bürger*innen darin spielen sollen, zwischen den EU-Institutionen abgestimmt worden sind.

 

Fotostrecke zur Veranstaltung

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