Univ.-Prof.in Dr.in Julia Mourão Permoser, Politikwissenschafterin am Department für Migration und Globalisierung an der Universität für Weiterbildung Krems, erhält den renommierten ERC Consolidator Grant für ihr Forschungsprojekt „Ethics in Action: Navigating Ethical Dilemmas of Solidarity with Immigrants“, kurz MIGSOL. Die globale Vergleichsstudie zählt zu den insgesamt neun bewilligten Projekten aus Österreich im Jahr 2025 und hat die theoretische Fundierung von Entscheidungsprozessen im Umgang mit ethischen Dilemmas in der Migrationspolitik zum Ziel.
Akteur_innen im Bereich Migration und Flucht stehen häufig vor schwierigen moralischen Entscheidungen. Sie müssen zwischen Handlungsoptionen wählen, die jeweils problematische Aspekte bergen. Bisher fehlt eine systematische vergleichende Untersuchung dazu, wie diese Entscheidungen zustande kommen und welche politischen und sozialen Faktoren dabei ausschlaggebend sind.
MIGSOL schließt diese Forschungslücke und richtet den Fokus auf politische und zivilgesellschaftliche Akteur_innen, die irreguläre Migrant_innen und ihre gesellschaftliche Teilhabe fördern - etwa durch Regularisierungskampagnen, gewerkschaftliche Unterstützungsmaßnahmen oder humanitäre Hilfeleistungen. Aufgrund der starken Politisierung von irregulärer Migration geht das Projekt davon aus, dass gerade diese Akteur_innen mit besonders komplexen ethischen Spannungsfeldern konfrontiert sind.
Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer Theorie, die Entscheidungsprozesse im Umgang mit ethischen Dilemmata in der Migrationspolitik erklärt. Das Projektteam wird mithilfe qualitativer Methoden Feldforschung in zehn Ländern des globalen Nordens und Südens durchführen. MIGSOL ist damit die erste globale Vergleichsstudie, die sich systematisch mit ethischen Dilemmata in der Migrationspolitik befasst.
Im Zentrum stehen daher die Fragen, wie politische und zivilgesellschaftliche Akteur_innen mit ethischen Dilemmata umgehen, welche Faktoren ihre Entscheidungen beeinflussen und wie sich diese Entscheidungen auf ihre politische Identität auswirken. MIGSOL bricht mit gängigen Ansätzen, die Wertkonflikte ausschließlich zwischen unterschiedlichen moralischen Positionen verorten, und legt den Fokus stattdessen auf innere Widersprüche innerhalb derselben moralischen Orientierung. Theoretisch ist das Projekt an der Schnittstelle von Politikwissenschaft, Soziologie und Ethik angesiedelt.
Methodenmix
Diese Fragen werden im Rahmen einer umfassenden globalen Vergleichsstudie an zehn Forschungsstandorten untersucht. Das interdisziplinäre Projektteam setzt dabei auf einen Methodenmix aus ethnographischen Beobachtungen, qualitativen Interviews und visuellen Ansätzen. Geplant sind bis zu 400 Interviews mit Vertreter_innen aus fünf Akteursgruppen: nationale und lokale politische Entscheidungsträger_innen, Gewerkschaften, religiöse Organisationen sowie zivilgesellschaftliche Netzwerke, die sich für Migrant_innen engagieren. Die Forschungsergebnisse werden unter anderem in Form einer künstlerischen Ausstellung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Durch seine innovative Fragestellung, den interdisziplinären theoretischen Ansatz und die globale Reichweite der empirischen Forschung wird MIGSOL einen wichtigen Beitrag zum internationalen Forschungsstand im Bereich Migration leisten. Vor allem aber wird das Projekt neue Erkenntnisse darüber liefern, wie politische und zivilgesellschaftliche Akteur_innen ethische Entscheidungen im Migrationskontext treffen – und damit dazu beitragen, zukünftige migrationspolitische Herausforderungen besser zu verstehen und zu bewältigen.
Zur Person
Julia Mourão Permoser ist Universitätsprofessorin für Migration und Integration am Department für Migration und Globalisierung der Universität für Weiterbildung Krems und leitet dort das PhD-Programm in Migration Studies. Sie studierte an der Georgetown University (BA in Foreign Service), der Diplomatischen Akademie Wien (MA in International Studies) und promovierte in Politikwissenschaft an der Universität Wien. Ihre Forschung konzentriert sich auf die demokratiepolitischen und ethischen Herausforderungen im Feld der Migrationssteuerung.
Neben dem neuen Projekt leitet sie das FWF-finanzierte Projekt „Migration als Moralpolitik“ und ist Mitkoordinatorin der Forschungsinitiative „The Ethics of Migration Policy Dilemmas“ am European University Institute in Florenz. Mourão Permoser ist Associate Editor der Fachzeitschrift Comparative Migration Studies und Senior Editorial Fellow bei Migration Politics. Ihre Arbeiten sind international anerkannt und vielfach zitiert.
Über den Förderpreis
Diese Förderung des Europäischen Forschungsrats (ERC) richtet sich an herausragende Wissenschaftler_innen, die visionäre Projekte mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren und eigenen Forschungsteams umsetzen. Sie ist themenoffen und basiert ausschließlich auf wissenschaftlicher Exzellenz. Die Förderung an Mourão Permoser ist bereits im dritten Jahr der dritte ERC Grant für Projekte von Forscherinnen am Department für Migration und Globalisierung – ein starkes Signal für die hohe Relevanz von Forschung zu Migration und Asyl sowie für den wichtigen Beitrag, den die Universität für Weiterbildung Krems kontinuierlich zur wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Debatte leistet.
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