01.12.2025

Wenn Unternehmen heute über Steuerung sprechen, geht es längst nicht mehr nur um Kennzahlen, Zielvorgaben oder formale Prozesse. Immer häufiger rückt ein Bereich in den Mittelpunkt, der früher als „weich“ galt: die Unternehmenskultur. Sie entscheidet zunehmend darüber, wie Organisationen auf Fachkräftemangel, veränderte Erwartungen der Mitarbeiter_innen und hybride Arbeitsformen reagieren. 

Diese Entwicklungen bilden derzeit auch den Ausgangspunkt der jüngsten Publikation von Isabella Grabner, Gerhard Speckbacher und Markus Wabnegg. Welche Rolle Kultur in modernen Arbeitsumgebungen spielt und welche Konsequenzen sich daraus für Führung ergeben, erläutert Wabnegg, Associate Professor vom Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften an der Universität für Weiterbildung Krems, im Gespräch.

Viele Unternehmen erleben derzeit, wie stark gesellschaftliche Trends interne Dynamiken beeinflussen – vom sinkenden Vertrauen in traditionelle Arbeitgebermodelle bis zur gestiegenen Wechselbereitschaft. „Die Leute sind flexibler geworden, haben während Covid vielleicht gemerkt, dass sie mit aktuellen Arbeitsmodellen nicht zufrieden sind und ihre Bindung an Unternehmen hat abgenommen“, sagt Wabnegg. Damit wächst der Druck am Arbeitsmarkt: „Für Schlüsselpositionen tun sich Unternehmen immer schwerer, die richtigen Leute zu rekrutieren und auch zu halten.“

Neue Anforderungen an die Führungsebene

Damit verändere sich auch das Führungsverständnis. Viele Tätigkeiten seien heute weniger klar definierbar, kreativer und offener angelegt. Klassische Steuerungsmodelle stießen hier an Grenzen. Kultur könne dabei Orientierung geben, ohne den Handlungsspielraum einzuschränken: „Mit Kultur kann man die Rahmenbedingungen vorgeben und den Leuten eine grobe Stoßrichtung geben.“ Entscheidend sei aber, dass diese Werte nicht nur formuliert, sondern auch im Arbeitsalltag spürbar würden.

Für Führungskräfte bedeutet dieser Wandel ein erweitertes Aufgabenprofil. Sie müssten nicht nur wissen, wofür das Unternehmen stehen wolle, sondern auch aufmerksam beobachten, was tatsächlich gelebt werde. „Es ist besonders wichtig, einerseits zu verstehen, was die Kernwerte sind, und andererseits zu spüren, ob diese Werte auf Mitarbeiterebene auch ankommen“, sagt Wabnegg. Die Forschung unterscheide zwischen geplanter und gelebter Kultur; genau da könne eine entscheidende Lücke entstehen.

Oft entstehe zudem ein Widerspruch zwischen kommunizierten Werten und formalen Steuerungsmechanismen. Wabnegg betont, wie wichtig Konsistenz sei: „Viele Unternehmen sind inkonsistent in der Art und Weise, wie sie Kultur kommunizieren und wie dann wirklich im Unternehmen gesteuert und geplant wird.“ Besonders sichtbar werde dies bei Leistungsbewertungen, Bonuslogiken oder Beförderungen, also jenen Bereichen, die maßgeblich prägen, wofür sich Mitarbeiter_innen tatsächlich einsetzen.

Kultur unter veränderten Bedingungen

Mit der Etablierung hybrider Arbeitsmodelle verschieben sich auch die Bedingungen kultureller Steuerung. Praktiken wie informelle Gespräche, spontane Begegnungen, soziale Rituale, die lange gut funktioniert haben, erreichen nicht mehr alle Beschäftigten gleichermaßen. Das kann zu Spannungen führen: „In einer Welt, wo Leute nicht immer gleichzeitig im Büro sind, kann man durch alte klassische Kultursteuerungselemente eigentlich mehr einen Keil zwischen die Belegschaft treiben.“ Wabnegg forscht derzeit zu den Folgen solcher Dynamiken, insbesondere zu den Auswirkungen auf Motivation, Bindung und Karrierechancen in hybriden Teams.

Unternehmenskultur gilt zudem als zäh veränderbar. Wer viele Jahre in einer bestimmten Kultur gearbeitet habe, nehme deren Wirkung oft kaum bewusst wahr. „Kultur ist etwas, was enorm haften bleibt und gleichzeitig schwer zu fassen ist, wenn man jahrelang in ihr gelebt hat“, sagt Wabnegg. Unternehmen spürten Veränderungen häufig erst dann, wenn sich Probleme bei der Rekrutierung oder Bindung von Mitarbeitenden abzeichneten. Umso wichtiger sei ein regelmäßiges Überprüfen grundlegender Werte und Praktiken, etwa auch im Austausch mit anderen Organisationen.

Wabnegg hält fest, dass kulturelle Steuerung nur dann wirksam wird, wenn sie mit anderen Elementen der Unternehmensführung übereinstimmt. Messbare Ziele, Werte und alltägliche Entscheidungen müssten zusammenpassen, um Orientierung zu geben und Glaubwürdigkeit herzustellen. Gerade in einer Arbeitswelt, die sich rasant weiterentwickelt, bleibt Kultur eine Führungsaufgabe, die kontinuierliche Aufmerksamkeit verlangt.

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