Für die Planung von Prävention vor Schlaganfällen, aber auch für deren Nachsorge gibt die Auswertung von Datenbanken, Zeitreihen und statistischen Zusammenhängen wertvolle Aufschlüsse. Yvonne Teuschl von der Donau-­Universität Krems sorgt dafür.

Von Astrid Kuffner

Bei einem Schlaganfall geht es immer um Zeit und eine gezielte Behandlung. Schließlich ist mit dem Gehirn die Leitzentrale des menschlichen Körpers betroffen. Das Zentrum für Neurowissenschaften hat es sich zur Aufgabe gemacht – ergänzend zur Grundlagenforschung –, das Wissen um wirksame Prävention, Diagnose und Behandlung von neurologischen Erkrankungen rasch in die klinische Praxis zu bringen. Die Mission „schnell und gewusst wie“ hat auch Yvonne Teuschl als Nicht-Medizinerin verinnerlicht: „Der Schlaganfall ist weltweit die zweit häufigste Ursache für eine Behinderung und in Österreich die dritthäufigste Todesursache. Dafür ist das Thema meines Erachtens medial immer noch zu wenig präsent im Vergleich zu Herzinfarkt oder Krebs.“ Auch mit dem medial präsenten Thema Demenz hängt der Schlaganfall zusammen. Doch dazu später. Was viele nicht wissen: Neben etwaigen motorischen Behinderungen, die sichtbar auffallen, kommt es unmittelbar, aber auch als schleichende Folgewirkung, zu kognitiven Behinderungen. „Jeder Schlaganfall beschleunigt einen Prozess, der schon im Gange ist“, fasst die Datenspezialistin zusammen. Er ist wie ein Indikator dafür, dass die Gefäße nicht zuverlässig arbeiten.

„Der Schlaganfall ist weltweit die zweithäufigste Ursache für eine Behinderung und in Österreich die dritthäufigste Todesursache. Dafür ist das Thema medial immer noch zu wenig präsent im Vergleich zu Herzinfarkt oder Krebs.“

Yvonne Teuschl

Yvonne Teuschl hat ursprünglich Biologie an der Universität Wien studiert und nach dem Diplom für das Doktorat an die Universität Zürich gewechselt, wo sie auch als Universitätsassistentin am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften arbeitete. Mit dem Engagement an der Donau-Universität Krems ab 2006 fasste Teuschl wieder Fuß in Österreich. Was sie aus der Schweiz mitbrachte, wurde damals im Medizinstudium nicht so umfassend vermittelt: methodische Fähigkeiten in Statistik, Datenauswertung und der Analyse von Datenbanken. Von der Evolutionsbiologie verschiedener Fliegenarten zu Schlaganfall, Prävention und Neurorehabilitation ist es gedanklich vielleicht ein weiter Weg, nicht aber methodisch.

Schlaganfallregister-Daten

Anfangs arbeitete die Wienerin an der Donau-Universität Krems in Teilzeit und unterstützte die Zusammenarbeit des Departments für Klinische Neurowissenschaften und Präventionsmedizin mit dem Landesklinikum Tulln. Doch das änderte sich rasch: „Als ich kam, war das 2003 eingeführte Schlaganfallregister neu. Die Spitalsärztinnen und -ärzte in den auf Schlaganfall spezialisierten Stroke Units erheben dafür Daten. Ich bringe die Daten durch die Auswertung zum Sprechen.“ Seit 2017 ist sie Assistenzprofessorin am Zentrum für Neurowissenschaften der Donau-Universität Krems und leitete auch davor als wissenschaftliche Mitarbeiterin eigene Projekte. Sie bringt sich immer gerne ein, wenn es darum geht, methodische Ansätze mit inhaltlichen Forschungsfragen in Einklang zu bringen.

In den vergangenen Jahren arbeitete Yvonne Teuschl an internationalen und nationalen Studien zum Themenkomplex Schlaganfall, Typ-2-Diabetes samt Vorstadien und Kognition mit, beispielsweise im EU-finanzierten Projekt Early Prevention of Diabetes Complications in people with Hyperglycaemia in Europe (ePredice): „Bei einem Schlaganfall wird eine Gehirnregion nicht versorgt und Zellen sterben ab. Auch wenn ein motorisches Areal betroffen ist, können in der Folge Einbußen beim Planungsvermögen oder im Arbeitsgedächtnis auftreten. Ein Schlaganfall verdoppelt das Risiko einer Demenz.“ Und er kann Menschen im jüngeren Alter treffen, wenn es „vaskuläre Risikofaktoren“ gibt. Das ist die medizinisch-nüchterne Umschreibung für eine ungesunde Lebensführung mit Rauchen, Alkoholtrinken, wenig Bewegung und ungesunder Ernährung. Das Kontinuum von einem erhöhten Blutzuckerspiegel (Prädiabetes) zum manifesten Diabetes Typ 2 ist ein zusätzlicher Risikofaktor für die Durchblutung im Gehirn: Diabetes verdreifacht das Risiko, nach einem Schlaganfall auch dement zu werden. Wenn es also um Prävention geht, kann in der Gesamtbevölkerung mit relativ simplen Maßnahmen wie Bewegung und „Gehirnjogging“ viel bewegt werden.

Verzahnung von Praxis und Methodik

Was Yvonne Teuschl an der Donau-Universität Krems gefällt, ist die enge Verzahnung von Menschen aus der klinischen Praxis, also Ärztinnen und Therapeuten, mit Methodik-Expertinnen und -experten wie ihr. Auch in der Lehre genießt sie den intensiven und in beide Richtungen fruchtbaren Austausch. Den Studierenden bringt sie spezifisches medizinisches Methodenwissen bei, von der Literatursuche über die Studienplanung, Testentwicklung und den Ethikcheck bis zur kritischen Beurteilung und zum wissenschaftlichem Schreiben. Was die Statistik angeht, wird es immer wichtiger – Stichwort Big Data –, Register und Datenbanken sinnvoll zu verknüpfen. „Wenn man Datensätze gemeinsam analysiert, erkennt man vielleicht weitere Muster und neue Ansatzpunkte“, erklärt Yvonne Teuschl. Als wichtigen Fortschritt sieht sie jedenfalls, dass mit den eingespielten Stroke Units die Mortalität drastisch gesenkt wurde und nun auch die Kognition gezielt gemessen wird. So viel Zeit muss sein.


YVONNE TEUSCHL
Ass.­-Prof. Dr. Yvonne Teuschl ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Neurowissenschaften der Donau-­Universität Krems. Sie studierte Biologie an der Universität Wien. Nach Abschluss des Studiums wechselte Teuschl an die Universität Zürich, wo sie promovierte und am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften als Universitätsassistentin arbeitete. Teuschl ist spezialisiert auf die Auswertung von Daten zu Schlaganfall, insbesondere aus dem 2003 in Österreich eingeführten Schlaganfallregister.

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