29.09.2022

Alumni Activity | Nachbericht

Im Gespräch mit... Bundeskanzler Karl Nehammer
„Zeitenwende: Österreichs Außenpolitik im Diskurs“ | Talk & Fragerunde

Der Alumni-Club der Universität für Weiterbildung Krems und das Research Lab Democracy and Society in Transition luden Alumnus Karl Nehammer zum Gespräch in die Diplomatische Akademie. Im Mittelpunkt der exklusiven Club-Veranstaltung stand Österreichs Außenpolitik Österreichs vor dem Hintergrund der Neutralität. Die Fragen an den Bundeskanzler stellte der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier, Professor an der Universität für Weiterbildung Krems.

Bundeskanzler Karl Nehammer und Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier

Vor zahlreich erschienenem Publikum – neben Alumni-Club Mitgliedern der Universität für Weiterbildung Krems auch Absolvent_innen der Diplomatischen Akademie Wien – gab Bundeskanzler Karl Nehammer am 27. September in der Reihe „Im Gespräch mit …“ Einblick in die Positionen der österreichischen Außenpolitik und die komplexen Konstellationen, die sich durch die zunehmend vielschichtigen internationalen Beziehungen ergeben. Klare Priorität in den Außenbeziehungen der Republik, so der Bundeskanzler, habe Europa, ein weiterer Fokus liege auf dem Westbalkan. Den Rahmen für die Außenpolitik in Europa gebe die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, kurz GASP, vor. Die momentanen Sanktionen gegen die russische Föderation sind darauf gegründet. Gekennzeichnet sei die Außenpolitik generell durch die vielen Gesprächskanäle, Entscheidungsebenen und Institutionen. Allen voran auf internationaler Ebene seien die Vereinten Nationen zu nennen, deren Hauptversammlung es beispielsweise ermögliche, dass alle, auch Konfliktparteien miteinander redeten.

Wichtiger Player G7
Immer wichtiger als Player auf der internationalen Bühne, so Nehammer, sei die G7 (Gruppe der Sieben, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten), bei die EU-Kommission einen Beobachterstatus einnehme, dennoch hätten Entscheidungen starken Einfluss auf die EU-Politik und würden rasch umgesetzt. Da Österreich dort nicht mit am Tisch sitzt und es auch keinen Abstimmungsprozess von Positionen innerhalb der EU gebe, sind gute Kanäle zu anderen Staaten, in Fall G7 zu Deutschland, relevant.
Es gehe angesichts der vielschichtigen Konstellationen heute also darum, so Nehammer, möglichst viele außenpolitische Kontakte zu knüpfen. In Zukunft werde es noch mehr internationale Vertragssituationen geben, die direkten und indirekten Einfluss auf viele Fragestellungen haben. Diese Vielschichtigkeit gelte es zu berücksichtigen. 

Neutralität und Solidarität vereinbar
Thema Neutralität: Innerhalb der EU sind 23 Staaten NATO-Mitglieder, Finnland und Schweden haben den Beitritt beantragt, als neutral bekennen sich neben Österreich Malta, Irland und Zypern. Filzmaier zum EU-Vertrag und seiner Beistandspflicht: Österreich habe da eine Trittbrettfahrerfunktion, da es vom Beistand ausgenommen sei, umgekehrt, diesen aber erwarten könne. Wie umgehen also mit dieser Situation? Nehammer: Auf internationaler Ebene müsse sich Österreich angesichts seines Engagements bei den UN-Friedensmissionen nicht verstecken, in Europa verhalte sich Österreich solidarisch, beteilige sich beispielsweise an der Europäischen Friedensfaszilität für die Ukraine mit der Lieferung nicht letaler Ausrüstung. 
Die Rolle als neutrales Land sei vielfältig. Österreich, so Nehammer, sei facettenreicher Ansprechpartner für Konfliktparteien, man denke an die Irangespräche in Wien. Es gelte auch, Beziehungen zu anderen wichtigen internationalen Playern wie Indien oder die Türkei zu vertiefen, wofür er sich, Nehammer, einsetze. Hinsichtlich seines internationalen Engagements stehe für Österreich klar das Peacekeeping im Vordergrund. Innerhalb der EU stehe die Neutralität der Solidarität nicht im Wege und sie schließe auch eine klare Positionierung wie im Ukrainekonflikt nicht aus, denn der Überfall der Ukraine durch die russische Föderation sei ein klarer Bruch des Völkerrechts. 
Wie wird sich die Neutralität weiterentwickeln? Das Recht, so Nehammer, gehe vom Volk aus. Man könne alles diskutieren auf sachlicher Ebene idealerweise im Kreis von Expert_innen. Für ihn stehe aber die Veränderung der Neutralität nicht auf seiner politischen Agenda. 

Verunsichernden Narrativen entgegen wirken
Angesprochen aus dem Publikum auf das Thema Abstimmungsmodus in Europa, betonte Bundeskanzler Nehammer die Wichtigkeit des Einstimmigkeitsprinzips, das übrigens nur im EU-Rat der Regierungsspitzen gelte, nicht aber in den Fachministerräten. Es garantiere, dass die Mitgliedsstaaten in ihren Besonderheiten gehört und wahrgenommen werden können. Angesprochen auf die schwierige wirtschaftliche Situation infolge des Ukraine-Krieges und der Sanktionen betonte Nehammer, wie wichtig es sei, bestimmten verunsichernden Narrativen entgegen zu treten. Priorität müsse sein, den wirtschaftlichen Motor Europas am Laufen zu halten, Europa und Österreich agierten umsichtig und erfolgreich, so sei Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas bereits spürbar reduziert worden und die Gasspeicher zu 77 Prozent gefüllt. 

Im Anschluss an das Gespräch lud der Alumni-Club der Universität für Weiterbildung Krems zum Austausch bei einem Cocktail ein. Es begrüßten eingangs der Direktor der Diplomatischen Akademie, Emil Brix, und der Rektor der Universität für Weiterbildung Krems, Friedrich Faulhammer. 

Die Veranstaltung wurde vom Alumni-Club und dem Research Lab Democracy and Society in Transition der Universität für Weiterbildung Krems organisiert und fand im Rahmen des Netzwerks Politische Kommunikation (netPOL) statt.

 

Tags

Zum Anfang der Seite