10.10.2017

Eine neue Kultur des Teilens von Inhalten, die aufkommende Platform Economy oder die Nutzung von Cloud-Speicher: Das Urheberrecht steht unter dem starken Druck des rasanten digitalen Wandels. In seiner Antrittsvorlesung skizzierte der Urheberrechtsexperte Clemens Appl die Herausforderungen für eine Weiterentwicklung des Urheberrechts und plädierte für dessen Funktion als Brücke zwischen Kreativschaffenden, Intermediären und NutzerInnen.

Antrittsvorlesung Appl
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Donau-Universität Krems

Der rasante Fortschritt auf dem Gebiet der Informationstechnologie und veränderte soziale Kommunikationsstrukturen stellen die Rechte des Geistigen Eigentums vor vielfältige Herausforderungen. Tradierte Konzepte des Geistigen Eigentums stoßen in einem hochdynamischen technologischen, sozialen und wirtschaftlichen Umfeld zunehmend an ihre Grenzen: So auch der Istzustand des Urheberrechts, wie ihn Univ.-Prof. Ing. Dr. Clemens Appl, LL.M., seit Oktober 2016 Universitätsprofessor für Internationales, Europäisches und Österreichisches Urheberrecht an der Donau-Universität Krems, bei seiner Antrittsvorlesung am 5. Oktober skizzierte. Die Rechtslage sei komplex, mitunter diffus. Zudem mache die schwierige Durchsetzbarkeit des Urheberrechts im virtuellen Raum den vorhandenen Rechtsschutz faktisch oftmals wertlos. Die aktuellen Vorstöße auf europäischer Ebene, so Appl, würden nicht zu einem kohärenten und zeitgemäßen Urheberrecht beitragen, sondern vielmehr zu einer noch stärkeren Fragmentierung führen. Auch würden zentrale Aspekte von Digitalisierung und Vernetzung, wie etwa die Reichweite des Zurverfügungstellungsrechts, die Rolle von Plattformen in der urheberrechtlichen Wertschöpfung, funktionale Lösungen für Hyperlinking, Streaming oder User-Generated-Content, nur unzureichend adressiert. Die unklare und komplexe Rechtslage fördere schließlich Resignation, Akzeptanzverlust sowie Piraterie und Free Riding.

Fünf Brennpunkte der Weiterentwicklung

Diese Herausforderungen für die Weiterentwicklung des Urheberrechts erläuterte Appl anhand von fünf Brennpunkten der Debatte. Brennpunkt eins: der urheberrechtliche Öffentlichkeitsbegriff und dessen Handhabe durch den Europäischen Gerichtshofs EuGH. Er hänge eng mit dem gerade für die digitale Welt zentralen Aspekt des Urheberrechts, nämlich der Dissemination von Inhalten, zusammen. Bislang war dieser Öffentlichkeitsbegriff, so Appl, klar konturiert und vor allem durch das Fehlen wechselseitiger persönlicher Beziehungen gekennzeichnet. Der EuGH habe durch eine stark kontext-orientierte Kasuistik den urheberrechtlichen Öffentlichkeitsbegriff klarer Konturen beraubt und durch Vielfalt neuer Kriterien die Bewertung konkreter Sachverhalte erheblich erschwert.

Brennpunkt zwei: Hyperlinking und Embedded Content, das Verweisen auf bzw das Einbetten von Medieninhalten in Webseiten, sind als grundlegende Funktionalitäten des Internets gleichermaßen unbestritten wie urheberrechtlich problematisch. Der EuGH hat dazu in mehreren jüngeren Entscheidungen aus verschiedenen Gesichtspunkten Stellung genommen. Hyperlinking ist ein Sonderfall der öffentlichen Zugänglichmachung im virtuellen Raum. In diesem Zusammenhang bewirke die Spruchpraxis des EuGH wachsende Rechtsunsicherheit und Inkohärenzen. Oftmals führe, so Appl, das Bemühen des EuGH um sachgerechte Lösungen – frei nach dem Motto "hard cases make bad law" – zu dogmatisch kaum nachvollziehbaren Auslegungsansätzen, deren Verallgemeinerung problematisch erscheint.

Brennpunkt drei: der Konsum digitaler Inhalte. Hier unterscheide, so Appl, das Urheberrecht zwischen analogen und digitalen Gütern, denn bei letzteren erfordere deren Konsum aus technischer Sicht eine urheberrechtsrelevante Vervielfältigung. Wenngleich das Urheberrecht durch spezifische Privilegierungen bestimmter Vervielfältigungshandlungen die Nutzung digitaler Inhalte erleichtert oder ermöglicht, mache die "Filmspeler"-Entscheidung des EuGH deutlich, das Streamen von illegalen Quellen aus NutzerInnenperspektive urheberrechtswidrig sein wird. In welcher Weise jedoch Nutzende konkret zu evaluieren haben, ob der Abruf eines bestimmten Inhalts rechtswidrig ist, bleibe der EuGH schuldig. Hinzu komme, so Appl, dass sich von krassen Fällen (zB kino.to) abgesehen, eine etwaige Illegalität des Angebots häufig erst beim (dann jedoch bereits urheberrechtsverletzenden) Abruf des Inhalts zeige.

Brennpunkt vier: die Platform Economy. Content-Plattformen ermögliche heute soziale Interaktion, sie sind damit zentrale technologische Enabler. Sie bieten die Möglichkeit Nutzerinhalte – entweder eigene, fremde oder hybride – öffentlich zu teilen. Dabei seien vor allem hybride nutzergenerierte Inhalte, die eigene Leistungen der Nutzenden mit vorbestehenden Leistungen Dritter verschmelzen, problematisch, biete doch das geltende Urheberrecht sowohl aus Sicht der Kreativschaffenden als auch der Nutzenden kaum sachgerechte Lösungen. So werde weder berechtigen wirtschaftlichen Interessen der Rechteinhaber noch dem Interesse der NutzerInnen an einer rechtssicheren nicht-kommerziellen Verwertung hybrider Inhalte Rechnung getragen. Dazu führt Appl weiter aus, dass kommerzielle Content-Plattformen, Rechteinhaber in angemessener Form an der auf ihren urheberrechtlich geschützten Leistungen basierenden Wertschöpfung zu beteiligen seien.

Brennpunkt fünf: der Umgang mit virtuellen Speichermedien im System pauschaler Vergütungen. Die mit der UrhG-Novelle 2015 eingeführte Speichermedienvergütung erfasse nach dem Willen des Gesetzgebers nur physische Speichermedien. Aus normativer Sicht sei dieses enge Auslegung des Begriffs Speichermediums abzulehnen. Vielmehr seien, so Appl, auch virtuelle Speichermedien ("Cloud-Speicher") in die Speichermedienvergütung einzubeziehen, bilden sie doch wirtschaftlich-funktionale Äquivalente zu körperlichen Speichermedien.

Brückenfunktion stärken

Die Substanz des Urheberrechts gelte es zu bewahren und kritische Defizite im Hinblick auf Digitalisierung und Vernetzung zu beseitigen, so Appl, der an der Donau-Universität Krems das Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen leitet. Problematisch blieben die wachsende Fragmentierung der Urheberrechtsordnung und eine durch Interessensgruppen getriebene Rechtsentwicklung. Die Grundlage einer Modernisierung des Schutzes kreativen Schaffens sieht Appl darin, das Urheberrecht als breite Brücke und nicht als unüberwindbaren Grenzwall zwischen Kreativschaffenden, Intermediären und NutzerInnen zu begreifen.

Die durch Clemens Appl besetzte Universitätsprofessur für Internationales, Europäisches und Österreichisches Urheberrecht ist die erste dieser Art in Österreich. Sie wurde gemeinsam mit österreichischen Verwertungsgesellschaften entwickelt und 2016 an der Donau-Universität Krems eingerichtet.

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