11.10.2019

Wie signifikant die Unterschiede bei den Zugangsmöglichkeiten zur Gesundheitsversorgung und Pflege in den Ländern des Donauraums sind und welche Initiativen diese Disparitäten zu überwinden versuchen, zeigte die Konferenz an der Donau-Universität Krems am 9. Oktober 2019.

Obwohl in nächster Zukunft auch in Österreich mit gravierenden Engpässen bei der Gesundheitsversorgung, angefangen beim medizinischen und Pflegepersonal, zur rechnen ist, wird dies in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Das zeigte die Konferenz „Gemeinsam fit im Donauraum. Grenzüberschreitende Kooperationen im Gesundheitssektor“, die die Donau-Universität Krems und das Institut für den Dounauraum und Mitteleuropa (IDM) in Kooperation mit der Initiative Healthacross sowie mit freundlicher Unterstützung vom Land Niederösterreich am 9. Oktober 2019 an der Donau-Universität Krems organisierten. Der Mangel an medizinischem Personal ist ein Aspekt, der alle Donauländer betrifft. Darin stimmten alle Vortragenden überein. So betonte Mag. Friedrich Faulhammer, Rektor der Donau-Universität Krems, in seiner Begrüßungsrede, dass die Pflegewissenschaften vor diesem Hintergrund bereits einen wichtigen Schwerpunkt an der Donau-Universität Krems einnehmen. Um den Herausforderungen der nahen Zukunft zu begegnen, verwies Mag. Karl Wilfing, Präsident des Niederösterreichen Landtages, auf bereits bestehende grenzüberschreitende Projekte in der Gesundheitskooperation. Dass diese auch international anerkannt werden, zeigt die EU-Interreg-Auszeichnung von „Healthacross for future“ des Vortags. Dr. Silvia Nadjivan, stellvertretende Geschäftsführerin des IDM, betonte, dass noch breite Bewusstseinsarbeit geleistet werden muss und diese Konferenz einen Beitrag dazu liefert.

Fachkräftemangel als dringlichste Herausforderung

Dr. Johannes Hohenauer, Geschäftsführer des Partners BDO Health Care Consultancy, hob in seiner Keynote hervor, dass strukturelle Probleme im Gesundheitssektor, wie etwa unterschiedliche Versicherungssysteme, hohe Diskrepanz in der Versorgungskultur oder Sprachbarrieren, nur durch energische Bottom-Up-Impulse verändert werden können. Als erfolgreiches Beispiel dafür nannte er grenzüberschreitende Initiativen, allen voran Healthacross, die auch ausgeweitet werden sollten. Denn in Südosteuropa zeigen sich die Probleme bei der Gesundheitsversorgung besonders drastisch, wo ein niedriges Bruttoinlandsprodukt, hohe Arbeitslosigkeit und eine Dezentralisierung der Gesundheitsversorge zu hohen Disparitäten führen. Dadurch ist der Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung nur einem sehr kleinen, zumeist wohlsituierten, Bevölkerungsteil vorbehalten.

Das zeigte auch die Diskussion des ersten, von Herrn Prim. Dr. Ludwig Kaspar, Leiter des Onlineportals „netdoctor.at“, moderierten Panels, wo ebenfalls die disparaten Zugangsmöglichkeiten zur Gesundheitsversorgung im Vordergrund standen. Als einen Lösungsweg beschrieb Mag. Elisabeth Chalupa-Gartner, Geschäftsführerin der Medical University of Vienna International, die sogenannte Medizin 4.0. Diese beinhaltet u. a. die Versorgung durch Informations- und Kommunikationstechnologien oder auch den Bau von Green- und Smart-Spitälern in westeuropäischen Ländern, was als „Good Practice“ insbesondere durch Wissenstransfer und Investitionen nach Südosteuropa exportiert wird.

Der Fachkräftemängel gilt nicht nur für Spitäler, sondern auch für die Hauspflege, wie Mag. Christoph Gleirscher, Geschäftsführer des Hilfswerks Niederösterreich, erklärte. Schon jetzt zeigen sich die Probleme der Unterversorgung bei der sogenannten 24-Stunden-Pflege, wo ehest möglich neue Kozepte mit den Betroffenen und Angehörigen entwickelt werden müssen. Um dem schlechten Ruf von Pflegeberufen und der Unzufriedenheit von Pflegebediensteten zu begegnen, stellte Mag. Martina Angela Kuttig, Leiterin des Fachbereichs Pflegewissenschaft an der Donau-Universität Krems, mehrere Lösungsansätze vor, die eine Imagekorrektur, zusätzliche Finanzmittel wie auch eine neue Form der Willkommenskultur gegenüber angeworbenen Pflegekräften fordern. Während westliche „Pull-Faktoren“ wie bessere Entlohnung und Lebensbedingungen zum drastischen Personalmangel in Südosteuropa führen, lässt sich gleichzeitig auch eine andere Verschiebung verzeichnen, so Mag. Harald Herzog von der Direktion der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK). Und zwar beschrieb er den sogenannten „Health Tourism“, wonach sich PatientInnen aus Westeuropa in Osteuropa Untersuchungen und medizinischen Eingriffen unterziehen, wofür sie einen relativ geringen Betrag zahlen. Nun besteht die Herausforderung, dies auf der Versicherungsebene mit bilateralen Übereinkommen zu vereinfachen, wobei es schon erste Ansätze gibt wie in der internationalen Anerkennung der österreichen E-Card.

 

„Good Practice“ Beispiele der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

Wie eine erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitssektor trotz unterschiedlicher Hindernisse möglich ist, erläuterte Mag. Elke Ledl, Leiterin der Initiative Healthacross, im zweiten, von Mag. Walter Fahrnberger, dem Chefredakteur der Wochenzeitung „Niederösterreichische Nachrichten NÖN“, geleiteten Panel. Dabei beschrieb sie den anfangs steinigen Weg zur Gründung dieser bahnbrechenden Initiative, die als Plattform für die Durchführung von Gesundheitsprojekten in den „peripheren“ Grenzgebieten zwischen Österreich und Tschechien dient und inzwischen mehrfach ausgezeichnet wurde. Vor dem bereits erwähnten, kürzlich erhaltenen EU-Interreg-Preis waren dies die Best-Practice-Beispiel-Auszeichnung beim Forum Alpbach 2015 sowie die WHO-Auszeichnung von 2018 als Best-Practice-Modell. Dass sich die zehnjährige österreichisch-tschechische Zusammenarbeit weiterentwickelt, zeigt das Gesundheitszentrum in Gmünd, welches im Jahr 2021 in Betrieb genommen werden soll. Diese Einrichtung soll tschechische und österreichische ÄrztInnen und PflegerInnen unter ein Dach bringen. Erfahrungsgemäß wird die Sprachbarriere kein Problem darstellen, da viele von ihnen auf tschechischer Seite Deutsch und auf österreichischer Seite Tschechisch sprechen. Das bestätigte Manfred Mayer, Manager des Gesundheitszentrums in Gmünd.

Erfolge feiert das Land Niederösterreich nicht nur im Rahmen der Healtacross-Initiative, sondern auch in Form der medizinischen Zusammenarbeit zwischen dem Endometriezentrum Znojmo (Znaim) und jenem in Melk. Der Austausch von ÄrztInnen ist ein positives Beispiel für die grenzüberschreitende Gesundheitskooperation, von der sowohl österreichische als tschechische PatientInnen profitieren. Anfang 2020 soll auch der Datenaustausch zwischen den beiden Zentren gestartet werden, was zu noch besseren Ergebnissen auf diesem medizinischen Gebiet führen wird. Das betonte Dr. Radek Chvátal, Primar der Gynäkologie und Geburtshilfe im Krankenhaus Znaim.

Als futuristische Träumerei gilt diese Situation noch in den Westbalkan-Ländern, wo viele, zumal existentielle Lücken in der Gesundheitsversorgung existieren, wie etwa Mängel in der Grundausstattung (u.a. Krankenhausbetten, Handtücher etc.), unzureichende Transparenz in der Verwaltung einzelner Krankenhäuser oder auch die für das Bruttoinlandsprodukt zu hohen Kosten für die Gesundheitsversorgung. Das hohe Maß an Korruption und das sich ständig ändernde politische Umfeld erschweren zusätzlich mögliche Fortschritte im Gesundheitswesen, wie die Gesundheitsexpertin Mag. Elisabeth Campestrini aus eigener Erfahrung berichtete. Schließlich leitet sie bei der Österreichischen Jungarbeiterbewegung (ÖJAB) das Pilot-Projekt zum Best-Practice-Transfer von  Österreich nach Kosovo und anderen Westbalkan-Staaten wie Serbien. Konsens bestand am Ende darin, dass in Zukunft nicht nur die Good-Practice-Projekte im Donauraum, sondern auch die breite Wissensvermittlung darüber vorangetrieben werden sollen.

Rückfragen

Mag. Dr. Silvia Nadjivan

Institut für den Donauraum und Mitteleuropa – IDM

Hahngasse 6/1/24, 1090 Wien

Tel.: +43 1 319 72 58-24

E-Mail: s.nadjivan@idm.at

http://www.idm.at

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