16.10.2025

Unternehmen setzen verstärkt auf datengetriebene Systeme, um Arbeitsprozesse zu steuern, Leistungen zu bewerten oder Entscheidungen zu unterstützen. Dabei spielt das sogenannte "Algorithmic Management" eine zunehmend wichtige Rolle und verändert die Art, wie Menschen geführt werden. Oft geschieht das unbemerkt, aber mit weitreichenden Folgen.

"Wir erleben gerade einen tiefgreifenden Wandel in der Organisationspraxis, bei dem intelligente digitale Technologien nicht mehr nur Werkzeuge, sondern handelnde Akteure im Management werden", erklärt Andreas Ihl vom Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften an der Universität für Weiterbildung Krems.

Ob in der Logistik, auf digitalen Plattformen oder im Büro: Algorithmen übernehmen zunehmend Aufgaben, die früher Führungskräften vorbehalten waren. Sie planen Schichten, geben Arbeitsprozesse vor, bewerten Leistungen oder schlagen Bewerberinnen und Bewerber vor. Damit wandelt sich die klassische Rolle von Führung grundlegend.  Das Treffen von Entscheidungen liegt immer häufiger nicht mehr bei einer Person, sondern bei einem System.

Zwischen Empfehlung und Kontrolle

"Algorithmic Management" ist kein einheitliches Konzept. Es reicht von "Algorithmic Control" bis "Algorithmic Guidance", also von strenger Steuerung bis zu unterstützender Entscheidungsorientierung. Diese Formen sind keine Gegensätze, sondern Teil eines Spektrums, das je nach Organisation und Situation unterschiedlich ausgestaltet ist. Systeme können Leistungsüberwachung ermöglichen, aber auch Orientierung bieten, abhängig von ihrer Funktion im jeweiligen Arbeitsprozess.

Ihl sieht darin vor allem eine Gestaltungsaufgabe. Der technologische Wandel führt nicht zwangsläufig zu mehr Kontrolle, sondern eröffnet auch neue Freiräume. „Ob Algorithmen zur Kontrolle oder zur Unterstützung beitragen, hängt davon ab, wie sie designed sind und in Organisationen eingesetzt werden“, sagt Ihl. Entscheidend sei, dass Strukturen entstünden, die nachvollziehbar bleiben und Vertrauen fördern.

Neue Managementansätze betrachten das Zusammenspiel von Mensch und Maschine zunehmend als Kooperation. "Algorithmic Management" kann, richtig implementiert, Lernprozesse anstoßen und Selbstorganisation fördern, sofern die Beschäftigten verstehen, wie ein System zu seinen Entscheidungen gelangt. Dafür braucht es Führungskräfte, die technisches Wissen mit sozialem Verständnis verbinden.

Grenzen datenbasierter Entscheidungen

Algorithmische Systeme werden in Unternehmen häufig mit dem Anspruch eingeführt, Entscheidungen objektiver und effizienter zu machen. Ihl warnt jedoch davor, sie als neutrale Instanzen zu betrachten. „Algorithmen können zwar Daten analysieren, Muster erkennen und Handlungsempfehlungen geben, aber oft fehlt ein Blick für größere Zusammenhänge und Kontext“, sagt Ihl. Gerade in Bereichen, in denen Entscheidungen stark von situativem Wissen und sozialem Verständnis abhängen, könne das alleinige Vertrauen in Daten zu Fehlentscheidungen führen.

Untersuchungen zeigen auch, dass Beschäftigte algorithmische Entscheidungen häufig als intransparent oder ungerecht wahrnehmen. Die Kriterien, nach denen Systeme bewerten oder vorschlagen, bleiben meist verborgen. So entstehen neue Formen von Machtasymmetrien zwischen Systemen, Management und Beschäftigten. „Automatisierte Kontrolle kann dazu führen, dass Menschen das Gefühl verlieren, selbst zu gestalten“, sagt Ihl.

Zugleich betont er aber, dass Algorithmen nicht grundsätzlich problematisch seien. Richtig eingesetzt könnten sie helfen, Komplexität zu bewältigen und Routinen zu entlasten. Voraussetzung dafür ist, dass die Systeme transparent gestaltet und in klare technische, organisatorische und ethische Rahmenbedingungen eingebettet sind.

Eine Frage der Regulierung

Mit Blick auf europäische Vorgaben wie den AI Act spricht Ihl von der Bedeutung klarer Rahmenbedingungen für den Einsatz entsprechender Systeme. „Ich halte den AI Act für wichtig, weil er für einen verantwortungsvollen und ethisch reflektierten Umgang mit KI sorgt – selbst wenn damit gewisse Einschränkungen für Investitionen und Innovationen verbunden sind“, sagt Ihl.

Der Einsatz solcher Technologien verändert nicht nur Prozesse und Arbeitsweisen, sondern auch die Logik von Organisation und Führung. Digitale Systeme sind längst Teil betrieblicher Realität in der Plattformökonomie, in der Logistik oder beispielsweise im Personalmanagement. Dieser Wandel zeigt sich besonders darin, dass Entscheidungen, die früher auf Erfahrung und Intuition beruhten, heute zunehmend datenbasiert getroffen werden. Wie viel Gestaltungsspielraum der Mensch dabei künftig behält, zählt zu den zentralen Fragen moderner Arbeitskulturen.

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