Der Experte für integrierte Sensorsysteme Hubert Brückl erklärt, wie diese Technik funktioniert, welche Herausforderungen die Forschung daran spannend machen, und weshalb Österreich in dem Feld gut vertreten ist.

Interview: Jochen Stadler

upgrade: „Integrierte Sensorsysteme“ klingt ein bisschen technisch und sperrig, für viele Leser_innen vermutlich Neuland. Was sind das für Apparaturen?

Hubert Brückl: Sensoren sind die Sinne der Elektronik, die Dinge aus der Umgebung erfassen, so wie die Sinnesorgane der Menschen. Das kann alles Mögliche sein: Simples, wie die Temperatur und Feuchtigkeit, oder Komplizierteres wie Schimmelbefall und der Nachweis von Bakterien. Sie leiten ihre Beobachtungsdaten weiter. Auf der Erde gibt es acht Milliarden Menschen, die jeden Tag Unmengen an Worten „produzieren“. Pro Jahr werden tausend Milliarden Sensoren weltweit in Betrieb genommen. Auch sie produzieren ständig „Worte“ in Form von Daten. Diese schiere Menge an Daten muss sorgfältig kontrolliert und aussortiert werden. Dafür laufen diese Daten in Sensornetzwerken zusammen und werden von Software verarbeitet.

Wenn Menschen Worte produzieren, braucht es immer einen Empfänger, sonst sind sie in die Luft gesprochen. Wer empfängt und verwendet die Daten von Sensorsystemen?

Wenn Sensoren nur Daten produzierten, für nichts und niemanden, wären sie umsonst. Man sammelt sie für spätere Verwendung oder sie werden direkt in eine „Antwort“ überführt. Ein kleines Kind, das sich die Finger an einem heißen Topf verbrennt, zieht sie sofort weg und schreit. Die Information „heißer Topf“ wird an das Zentralnervensystem gesendet, löst einen Reflex und Hilfeschrei aus, woraufhin die Eltern herbeieilen. Genauso funktioniert es bei Sensoren: Die Temperatur wird erfasst und zum Beispiel auf Wetter-Internetserver übertragen, oder ein Fensterrollo wird anhand der erfassten Daten geschlossen.

Womit beschäftigen sich Sensorsystem-Forscher_innen?

Eine übliche Forschungsszene ist: Es soll eine bestimmte Aufgabe erledigt werden, und wir kümmern uns um die Gestaltung der Sensorik. Maschinen, Roboter oder Computerprogramme bekommen die Daten zugespielt und sind dabei die „Ausführenden“ nützlicher Funktionen.

Welche Knackpunkte gibt es zurzeit bei der Sensorentwicklung?

Es gibt drei Hauptentwicklungen in der Sensorik: Die Miniaturisierung, die Digitalisierung und die Sensorfusion. Alle drei zielen darauf ab, dass die Sensoren unsichtbar werden und noch mehr Daten erfassen. Sie sollen als verborgene Helferlein im Hintergrund bleiben, aber möglichst akkurat und umfangreich die Umgebung oder die Produktionsbedingungen beschreiben. Die gewonnenen Daten liefern sie zum Beispiel an intelligente Steuersysteme. Sensorfusion bedeutet, dass man versucht, unterschiedliche Sensoren zu kombinieren. Wenn man dies tut und ihre Daten gekonnt auswertet, etwa mit künstlicher Intelligenz, kann man mehr von ihnen erfahren, als von einzelnen, getrennten Sensoren.

 

Hubert Brückl

„Sensoren sind die Sinne der Elektronik, die Dinge aus der Umgebung erfassen, so wie die Sinnesorgane der Menschen.“

Hubert Brückl

Die Bezeichnung „integrierte Sensorsysteme“ lässt vermuten, dass vom eigentlichen Sensor bis hin zum Roboter oder anderen ausführenden System alles gut zusammenarbeiten muss. Kann man die einzelnen Teile trotzdem modular gestalten und für verschiedenste Anwendungen kombinieren?

Ja, es gibt Ideen dazu, und es wird viel in diese Richtung unternommen – ganz einfach um Geld zu sparen. Wir hatten zum Beispiel ein von der Europäischen Union gefördertes Projekt, in dem wir bei Umweltsensoren möglichst viele Sensorkomponenten auf eine Chip-Einheit packten. Die Kund_innen konnten sich anschließend aussuchen, welche davon sie benutzen.

Was machen Sie sonst noch im Labor, was ist Ihr persönliches Forschungsgebiet?

Ich habe mich seit meiner Diplomarbeit auf die Sensorik mit „Dünnen Schichten“ spezialisiert. Dass ich in dieses Thema hineingeraten bin, war ein Glücksfall. Es gab bald darauf sogar einen Nobelpreis in diesem Gebiet, und zwar für die Entdeckung des „Riesenmagnetowiderstands“. Das war ein großer Wurf, denn damit konnte man Festplattenköpfe kleiner machen und Daten dichter schreiben. Die Magnetfeldsensorik in dünnsten Schichten fasziniert mich noch heute. Ich bin ihr treu geblieben.

Wie viele Leute sind in Ihrer Forschungsgruppe?

Wir sind im Zentrum für Mikro- und Nanosensoren momentan sechs Forscher_innen. Im Department für Integrierte Sensorsysteme haben wir insgesamt rund 35 Mitarbeiter_innen, mit steigender Tendenz. Mein Zentrum entwickelt die eigentlichen Sensoren, also die Hardware. Albert Treytl leitet das Zentrum für verteilte Systeme und Sensornetzwerke, dort ist die andere Komponente zuhause, nämlich Datenmanagement und Datenkoordination. Das dritte Zentrum widmet sich der Modellierung und Simulation, und wird von Thomas Schrefl gemanagt – es ist sozusagen die Klammer um die beiden anderen und wächst am schnellsten. Unser viertes Zentrum hat sich auf ein bestimmtes Thema spezialisiert, und zwar die Wasser- und Umweltsensorik.

Was muss jemand können, der in dem Forschungsfeld integrierte Sensorik arbeiten möchte?

Wir haben ja schon gesehen, dass das Thema sehr breit ist, und dementsprechend brauchen wir vielfältige Expertise. Man kann sich der Sensorsystemforschung aus verschiedensten Richtungen anschließen: Von der Datenaufbereitung, Mikroelektronik wie der Einbettung von „CMOS“ Halbleiterelementen, aus verschiedensten anderen Bereichen der Physik, aber auch von Seiten der Chemie und der Biologie.

 

Welche Entwicklungen sind bei integrierten Sensoren noch nicht so gut vorangegangen, wie man sich das vielleicht vor einiger Zeit erwartete?

Worüber seit Jahren und Jahrzehnten schon viel gesprochen wird, sind Quantensensoren. Da wird sehr viel unternommen, und viel Geld in die Forschung investiert. Es ist ein sehr vielversprechendes Feld, und auch in Österreich wird viel dazu geforscht, aber es ist wohl einfach ein sehr schwieriges Gebiet. Es wäre kein kleiner Quantensprung, sondern ein Riesenschritt nach vorne, wenn solche Sensoren zur Anwendung kämen.

Das Nobelpreiskomitee hat offensichtlich große Fortschritte im Gebiet der Riesenmagnetowiderstände honoriert, aber gibt es noch andere Bereiche in der Sensorik, wo die Entwicklung viel weiter gegangen ist, als man geglaubt hat?

Dazu gibt es noch ein Erfolgskapitel! Nach dem Riesenmagnetowiderstand wurde der Tunnelmagnetowiderstand gefunden. Das schrieb die Geschichte fort: Die Leseköpfe wurden noch besser und mittlerweile sind diese Sensoren zum Beispiel in Autos als Teil der Sicherheitssysteme eingebaut. Solche Sensoren sind einfach besser als die herkömmlichen Systeme.

Wie viel Sensorsystem-Forschung gibt es hierzulande?

In Österreich wird nicht nur an den Universitäten fleißig geforscht, sondern auch sehr viel in der Industrie. Denn die Mikroelektronikindustrie ist in unserem Land stark vertreten, auch viele Firmen auf dem Gebiet der Sensorik. Es gibt mit der ESBS (Electronics and Software Based Systems) Austria eine Plattform, auf der alle Beteiligten sich aktiv einbringen und ihre Interessen nach außen und in Europa vertreten. Die ESBS Austria war auch mit ausschlaggebend, dass das Spitzenforschungszentrum „Silicon Austria Labs“ entstanden ist, das in Graz, Villach und Linz sitzt. Dort werden aktuell auch sehr viele Leute rekrutiert.

Wie sieht es im akademischen Bereich aus?

Neben unserem Department der Universität für Weiterbildung Krems sind die Technische Universität Wien mit ihrem Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme oder die JKU Linz mit ihrem Institut für Mikroelektronik und Mikrosensorik stark vertreten. Aber auch an den anderen Technischen Universitäten und an der Universität Wien passiert in diesem Gebiet sehr viel.


HUBERT BRÜCKL

Univ.-Prof. Dr Hubert Brückl studierte Physik an der Universität Regensburg, Deutschland. Er leitet das Department für Integrierte Sensorsysteme und dessen Zentrum für Mikro- und Nanosensorik an der Universität für Weiterbildung Krems. Seine wissenschaftlichen Interessen erstrecken sich von Dünnen Schichten, Ladungstransport im Festkörper, Magnetismus und Sensorik bis hin zur Mikro- und Nanotechnologie.

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