AllgemeinmedizinerInnen empfinden die Behandlung von Personen mit somatoformen Störungen im Vergleich zu „durchschnittlichen“ PatientInnen als deutlich belastender. Dabei fällt ÄrztInnen, die eine psychosomatische Zusatzausbildung besitzen, der Umgang mit dieser Gruppe von PatientInnen leichter. Das zeigt eine aktuelle Studie der Donau-Universität Krems, die im Dezember 2014 in der Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie veröffentlicht wurde.
Müdigkeit, Erschöpfung, Schmerzen, Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Beschwerden – so lauten die häufigsten Symptome somatoformer Störungen. Die Betroffenen leiden unter Beschwerden, für die es trotz entsprechender körperlicher Diagnostik keine ausreichende Erklärung gibt. Schätzungen zufolge macht der Anteil somatoformer Störungen in Hausartpraxen knapp 30 Prozent aus: „Somatoforme Störungen sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen in der allgemeinmedizinischen Praxis und mit einem hohen Leidensdruck verbunden“, berichtet MMag. Dr. Markus Böckle vom Department für Psychotherapie und Psychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems.
Gemeinsam mit anderen Mitarbeitern des Departments befragte Böckle im Rahmen einer Online-Erhebung AllgemeinmedizinerInnen nach der Belastung, dem zeitlichen Aufwand der Behandlung sowie nach der Häufigkeit von PatientInnen mit somatoformen Beschwerden in ihrer Praxis. Darin bewerteten die ÄrztInnen die Behandlung von PatientInnen mit somatoformen Störungen durchschnittlich um 42,6 Prozent belastender als die Behandlung „durchschnittlicher“ PatientInnen.
Den höchsten belastenden Effekt bei der Behandlung von PatientInnen mit somatoformen Störungen hatte der zeitliche Aufwand, während sich eine psychosomatische Zusatzausbildung positiv auswirkte: in dieser Gruppe war die wahrgenommene Belastung um 17,2 Prozent geringer als bei ÄrztInnen ohne entsprechende Weiterbildung. Außerdem schätzten AllgemeinmedizinerInnen mit einer Zusatzqualifikation die Häufigkeit von PatientInnen mit somatoformen Störungen höher ein als MedizinerInnen ohne eine solche Ausbildung (31 versus 24 Prozent). Laut der Studienautoren könnte das zum Beispiel auf eine präzisere Diagnostik oder Früherkennung durch ÄrztInnen mit psychosomatischer Weiterbildung hindeuten oder darauf, dass PatientInnen mit somatoformer Störung eher ÄrztInnen mit psychosomatischer Weiterbildung aufsuchen. „Dieses Ergebnis ist sowohl aus medizinischer als auch aus ökonomischer Sicht relevant, da durch eine entsprechende psychosomatische Weiterbildung eine präzisere Diagnostik und frühzeitigere Behandlung angeboten und somit potenziell Gesundheitskosten reduziert werden könnten“, erklärt Böckle. Eine psychosomatische Weiterbildung für alle medizinischen Sparten sei daher unerlässlich, meint Böckle. Zusätzlich wäre damit auch die Belastung der behandelnden ÄrztInnen reduzierbar.
Markus Boeckle, Gregor Liegl, Anton Leitner, Christoph Pieh: Wie belastend ist die Behandlung von Patienten mit somatoformen Störungen?; Z Psychosom Med Psychother 2014; 60, 383-391