Archive sind Orte der Diskretion, die jede Menge an Indiskretionen aufbewahren: geheime Liebeskorrespondenz, Aufkündigungen enger Freundschaften, Schnorrbriefe, juristische Verfolgung von Verrissen, Kampf um geistiges Urheberrecht zwischen Plagiat und Paranoia, Diarien voll Schimpf und Schande.

Was bedeutet die Arbeit mit diesen Dokumenten für den Archivar/die Archivarin? Welche Formen von Beziehungen zwischen Archivar_in, Autor_in und Archivalie sind vor dem Hintergrund zeit-, kultur- oder wissensgeschichtlicher Formationen, hinsichtlich politischer, geschlechtlicher oder minoritärer Perspektiven denkbar? Während die Theoretisierung des Verhältnisses von Autor_innen und Forscher_innen zum (Literatur-)Archiv bereits die Gründung von Archiven für Literatur um 1900 begleitet und seither verschiedentliche Innovationen erfahren hat, steht eine vergleichbare Reflexion der Arbeit von Archivar_innen für Literatur noch aus. Vor dem Hintergrund einer unter dem Schlagwort ‚affective turn‘ versammelten Vielzahl historischer, epistemologischer und soziologischer Zugänge zu Affekten, Emotionen, Gefühlen sollen Möglichkeiten einer systematischen Reflexion im Sinne einer ‚teilnehmenden Objektivierung‘ (Bourdieu) archivarischer Arbeit erkundet werden.

Mit Beiträgen von Marcel Atze, Brigitte Bargetz, Heike Gfrereis, Andreas Liška-Birk, Stefan Maurer, Thomas Raab, Bernadette Reinhold, Christine Rigler, Georg Spitaler und Jürgen Thaler.

Helmut Neundlinger, Fermin Suter (Hg.): Gespeicherte Gefühle. Über die Affekte im Archiv. Berlin, Boston: De Gruyter, 2024. (Literatur und Archiv, Band 6). 175 Seiten, gebunden ISBN 9783111077826, eBook ISBN 9783111078489.

Open Access: https://doi.org/10.1515/9783111078489

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