
Ziel des Projekts "ruth weiss: Complete Works Critical Hybrid Edition" ist die Herausgabe einer kritischen Ausgabe sämtlicher Werke der österreichischen Dichterin ruth weiss (1928–2020, Name stets kleingeschrieben). Die Edition wird aus einer mehrbändigen kommentierten Buchausgabe in Druckform sowie einer Open-Access Online-Version als Multimedia-Plattform mit erweitertem Kommentar bestehen. Ausgehend von den Texten der Dichterin wird die digitale Edition multimediale Quellen und Dokumente integrieren, die die Stimm- und Performancekunst von ruth weiss festhalten und das Werk mit künstlerischen, biographischen und zeitgeschichtlichen Materialien verknüpfen soll.
Die Dichterin, Performerin und bildende Künstlerin ruth weiss gilt als einer der Pionierinnen des Genres „Jazz & Poetry“: Bereits Anfang der 1950er-Jahre trat sie mit Jazzmusikern live auf und performte ihre Gedichte – eine Form der Kooperation, die wenig später berühmte Dichter der Beat Generation wie Allen Ginsberg und Lawrence Ferlinghetti populär machten. Als Künstlerin agierte ruth weiss lange Zeit am Rand einer Szene, die die US-amerikanische Literatur revolutionierte und seit den 1960er-Jahren globale Wirkung entfaltete. Sie publizierte zahlreiche Lyrik-Bände in bibliophilen Verlagen, ihre wichtigste Ausdrucksform blieb allerdings die Performance, oft in Kooperation mit Musikern.
Wenig bekannt war weiss‘ Fluchtgeschichte: Als einziges Kind einer jüdischen Familie in Berlin geboren, musste sie 1933 nach der Machtergreifung der Nazis mit den Eltern zur Großmutter nach Wien fliehen. 1938 erfolgte nach dem sogenannten Anschluss eine weitere Flucht: diesmal per Schiff nach Amerika, wo sie zunächst in New York aufwuchs. Später übersiedelte sie an die Westküste, wo sie mit ihren Performances Teil der Beat-Kultur wurde. Ähnlich wie bei anderen Frauen wurde ihr Anteil an der künstlerischen Entwicklung der Beat Generation lange Zeit wenig gesehen. Brenda Knights Publikation Women of the Beat Generation (1996) holte sie aus der Vergessenheit zurück. 1998 besuchte sie zum ersten Mal nach ihrer Flucht ihre Kindheitsstadt Wien und trat auf Einladung der „schule für dichtung“ vor Publikum auf. Von da an hielt weiss regelmäßig Schreibklassen im Rahmen der „schule für dichtung“ ab und absolvierte zahlreiche Auftritte in Österreich und Deutschland.
Der Literaturwissenschaftler Thomas Antonic lernte ruth weiss 2012 kennen und begann, sich im Rahmen seiner Forschungen zu den österreichisch-amerikanischen Beziehungen auf dem Feld der Beat-Dichtung und -Kunst mit ihrer Arbeit zu beschäftigen. 2021 stellte er seinen auf Interviews und Archivmaterial basierenden Dokumentarfilm One More Step West is the Sea fertig, der auf diversen internationalen Festivals gezeigt wurde. Nunmehr wurde vom FWF sein Projekt einer digital/analogen Edition der Werke von ruth weiss genehmigt, das ab 1.6.2025 am Archiv der Zeitgenossen angesiedelt und mit einer Laufzeit von vier Jahren angelegt ist.
>> Projekt "ruth weiss: Complete Works Critical Hybrid Edition"
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