25.11.2025

Ein neues Forschungsprojekt unter Leitung der Universität für Weiterbildung Krems widmet sich bisher wenig bekannten Aspekten der NS-Zwangsarbeit in Niederösterreich und möchte sie vor allem mithilfe privater Quellen aufarbeiten. Unter dem Titel „Connecting Memories – Erforschen, Bewahren, Teilen. Zwangsarbeit in Niederösterreich“ sind Bürger_innen, Nachkommen und lokale Initiativen aufgerufen, mit Dokumenten, Fotos oder Erinnerungen zur gemeinsamen Erforschung dieser Geschichte beizutragen. 

Während des Zweiten Weltkriegs mussten im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten Millionen Menschen Zwangsarbeit leisten. Auch in Niederösterreich wurden Kriegsgefangene, ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter_innen sowie andere zivile Arbeitskräfte in Landwirtschaft, Industrie, Infrastrukturprojekten und privaten Haushalten eingesetzt. Trotz bestehender Forschungsarbeiten sind jedoch viele regionale Ausprägungen und individuelle Erfahrungen bis heute kaum dokumentiert.

Nachhaltiges Erinnern und Forschen

Viele Spuren dieser Geschichte befinden sich in privaten Sammlungen: in Familien ehemaliger Zwangsarbeiter_innen aus Europa, der Ukraine und Russland, aber auch bei damaligen lokalen „Arbeitgeber_innen“, Nachbar_innen und Zeitzeug_innen. Das Projekt möchte diese Materialien erstmals in größerem Umfang zugänglich machen. 
Dazu wird eine digitale Plattform aufgebaut, auf der Dokumente, Fotos und Erinnerungserzählungen gesammelt, gesichert und wissenschaftlich erschlossen werden können. Auch KI-gestützte Verfahren zur Texterkennung kommen zum Einsatz, um historische Quellen leichter in verschiedenen Sprachen zugänglich zu machen.

„Uns interessiert nicht nur, wie sich unterschiedliche Formen des Erinnerns und Forschens miteinander verbinden lassen, sondern auch, wie diese gewaltvolle Vergangenheit dialogisch erinnert und bearbeitet werden kann“, erläutern die Projektleiterinnen Edith Blaschitz und Eva Mayr von der Universität für Weiterbildung Krems. „‚Connecting Memories‘ möchte einen Raum schaffen, in dem Nachkommen, Forscher_innen und Citizen Scientists ihr Wissen teilen und gemeinsam forschen können.“ 

Aus Sicht von Martha Keil, wissenschaftliche Leiterin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, liegt die Bedeutung des Projekts darin, dass es Erinnerungen zugänglich macht, die in keinem offiziellen Archiv zu finden sind. „Persönliche Erinnerungen bieten der historischen Forschung Informationen zu Ereignissen und Erfahrungen, die nicht in behördlichen Dokumenten zu finden sind. Diese Öffnung für in den Familien bewahrten Gedächtnisschätzen, über nationale, religiöse und politische Grenzen hinweg, machen dieses Projekt so besonders wertvoll.“

Gemeinsam Geschichte sichtbar machen

„Connecting Memories“ wird über den Zeitraum von 2025 bis 2028 von der Universität für Weiterbildung Krems, dem Institut für jüdische Geschichte Österreichs (INJOEST) und dem Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) getragen. Beratend ergänzt wird das Projekt durch einen wissenschaftlichen Beirat, in dem unter anderem das Belgische Staatsarchiv und die internationale Holocaustgedenkstätte Yad Vashem vertreten sind.

Gefördert von der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich widmet sich das Projekt in einem ersten Schritt der ungarisch-jüdischen Zwangsarbeit in Niederösterreich sowie den Arbeitseinsätzen aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag XVII B in Krems-Gneixendorf. Alle Interessierten sind eingeladen, sich zu beteiligen – mit eigenen Dokumenten und Erinnerungen oder durch aktive Mitarbeit an der Forschungsarbeit. Weitere Informationen finden sich auf der Projektwebsite connectingmemories.at.

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