Ein Universitätsabschluss, Grund- oder Weiterbildungsstudium, nutzt der Karriere. Aber nicht nur die persönlichen Vorteile sind groß – auch die Gesellschaft profitiert.

Von Lisa Breit

Wer studiert, hat bessere Aussichten auf einen interessanten Job und einen guten Verdienst – und potenziell mehr Möglichkeiten, das Leben nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Das gilt für ein Grundstudium ebenso wie für ein Weiterbildungsstudium. „Bildung ist der Schlüssel, um im Leben eine bessere Position zu erhalten“, sagt Christoph Badelt, Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO). Jedes Jahr, das jemand zusätzlich in Ausbildung investiert, erhöht das spätere Einkommen um durchschnittlich 5,4 Prozent, haben Arbeitsmarktforscher erhoben. Wer einen Hochschulabschluss hat, ist auch seltener arbeitslos. Laut AMS beträgt in Österreich die Arbeitslosigkeit unter Akademikern derzeit 4,5 Prozent, unter Absolventen einer Pflichtschule sind es 28,7 Prozent. Bildung lohnt sich also für jeden und jede, und zwar in jeder Lebensphase.

Indem sie die Menschen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt befähigt und sie zu produktiven MitarbeiterInnen macht, hat Bildung sowie Weiterbildung aber auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung. Sie vermittelt den Menschen das Wissen und die Qualifikation, um neue Ideen hervorzubringen. Damit ermöglicht sie Innovation und technischen Fortschritt – beides Voraussetzungen für Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg. In entwickelten Volkswirtschaften wie Österreich, „die stark von Innovation geprägt sind“, komme Bildung eine besonders wichtige Rolle zu, sagt Martin Kocher, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS). In einer Publikation des IHS und der Universität St. Gallen zum Thema heißt es, die Fähigkeit eines Landes zur Innovation hänge „kritisch von der Menge und Qualität tertiärer Ausbildung“ ab. Warum, erklärt Kocher: Gerade im digitalen Zeitalter sind Innovationen meist „sehr komplex“ und daher seien Personen gefragt, die komplex denken können und spezifisches Wissen mitbringen. „Für neue Algorithmen beispielsweise braucht man gute Kenntnisse in Mathematik oder EDV.“ WIFO-Chef Badelt sieht das ebenso: „Technologische Entwicklungen werden meist von höher Gebildeten betrieben, weil dazu ein hohes Fachwissen nötig ist.“ Diese Personen seien zudem in der Lage, sich schnell auf neue Möglichkeiten einzustellen.

Weiterbildung verbessert Innovationskraft

Wenn diese Personen auch noch darum bemüht sind, ihre Kompetenzen stetig zu verbessern, wirkt das als Katalysator. Das zeigte ein Team des deutschen Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie. In der Studie „Adult education and Innovation“ betrachteten die Wissenschafter den Innovationsindex von 28 europäischen Ländern und untersuchten Weiterbildungsindikatoren. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich Weiterbildung positiv auf die Innovationsfähigkeit eines Landes auswirkt – vorausgesetzt, das Arbeitsumfeld stimmt. Eine weitere Studie mit dem Titel „The macro-economic benefits of adult learning“ kommt gar zum Ergebnis, dass sich „adult learning“, also Weiterbildung von Erwachsenen, noch positiver auf den Innovationsgrad einer Volkswirtschaft auswirkt als Bildung, die auf den tertiären Bereich beschränkt bleibt.

Alterungseffekte dämpfen

In den kommenden Jahren gehen die Vertreter der geburtenstarken Jahrgänge in Pension, wodurch die Zahl der PensionistInnen im Verhältnis zu den Erwerbstätigen steigt. „Um soziale Sicherungssysteme in Europa aufrechterhalten zu können, muss Bildung, respektive Weiterbildung die Menschen so befähigen, dass eine kleiner werdende Gruppe an Menschen im Erwerbsalter immer produktiver wird“, sagt Wolfgang Lutz, Gründungsdirektor des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital. Er meint: „Es kommt nicht so sehr auf die Zahl der Köpfe an, sondern darauf, was in den Köpfen ist.“ Weiterbildung ist außerdem ein Instrument, um den gesundheitlichen Auswirkungen der Alterung bis hin zur Demenz entgegenzuwirken, wie eine interdisziplinäre Studie der Donau-Universität Krems zeigt.

Man wisse zudem, dass Gebildete freiwillig länger arbeiten, oft, weil sie interessantere Tätigkeiten haben. Ziel müsse sein, mehr Menschen in höhere Bildung zu bringen. Das schließt universitäre Weiterbildung ein.

Kocher: „Jemanden aus dem Ausland zu holen, der die nötigen Qualifikationen mitbringt, wird nicht so leicht sein, weil viele europäische Staaten suchen werden.“ Durch die Digitalisierung steige die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften. Während einfache Routinetätigkeiten immer  öfter von Maschinen erledigt werden, braucht es SpezialistInnen, um diese Maschinen zu programmieren und zu steuern. „Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Algorithmus wegrationalisiert zu werden, wird mit  höherem Bildungsniveau geringer“, so der IHS-Chef. Weiterbildungsmaßnahmen miteingeschlossen.

„Es kommt nicht so sehr auf die Zahl der Köpfe, sondern auf den Inhalt an.“

Wolfgang Lutz

Potenzial universitäre Weiterbildung

In Österreich beträgt der Anteil der Menschen mit einem tertiären Abschluss aktuell 33 Prozent, zeigt die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“. Die Höherqualifizierung weiter voranzutreiben, ist für die befragten Experten wünschenswert. Mit – laut Statistik Austria – 14,7 Prozent Beteiligung der Bevölkerung an Weiterbildung liegt Österreich über dem europäischen Durchschnitt. Allerdings tun dies nur knapp drei Prozent aller Personen, die sich weiterbilden, an einer Universität. Wissenschaftliche Weiterbildung aber könnte Höherqualifizierung auf ein neues Niveau heben und die positiven Effekte für die Wirtschaft noch verstärken. Aber auch jene für die Gesellschaft. Denn neben der Bedeutung für die Wirtschaft gibt es noch andere positive Effekte: „Bildung macht die Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern, die in der Demokratie aktiver sind“, sagt Kocher. Höher Gebildete sind laut OECD tendenziell auch stärker sozial engagiert. „Das könnte daran liegen, dass sie in der Lage sind, gesellschaftliche Zusammenhänge zu durchblicken, und zu dem Schluss kommen, dass sie selbst etwas tun müssen“, so Badelt. Sie sind zudem nachweislich gesundheitsbewusster. „Es gibt eigentlich keinen Lebensbereich, wo sich Bildung nicht auszahlt.“

Lernen zu lernen

„Lebenslanges Lernen gibt es nur bei Menschen, die am Anfang ihres Lebens gut gelernt haben“, so Wolfgang Lutz, und weiter: „Die entscheidendsten Jahre für unsere kognitive Entwicklung sind die ersten drei Lebensjahre.“ Frühe Förderung zahle sich aus, sagt der Experte und verweist auf die sogenannte „Heckman-Kurve“, die aufzeigt, dass sich Investitionen in frühkindliche Bildung deutlich mehr lohnen als Investitionen in schulische oder nachschulische Bildung. Kocher hält es ebenfalls für essenziell, bereits in der frühkindlichen Bildung anzusetzen, „weil da das Abhängen bildungsferner Schichten anfängt“.

Bei einer guten Bildung gehe es darum, das Lernen zu lernen, sagt Badelt. Das gelte für alle Etappen – bis zur Universität. Was das für die Bildungsvermittlung bedeutet? Wichtig wäre, dass generell Menschen Themen selbstständig bearbeiten, ihr kritisches Denken schulen und das Lösen von Problemen üben. Wichtig sei deshalb, dass alle denselben Zugang zu Bildung haben, meint Kocher. Denn nur so könne sie breiten Bevölkerungsschichten den sozialen Aufstieg ermöglichen und damit zu mehr Chancengleichheit führen.

Es reicht also längst nicht mehr, „bloß einen Beruf zu erlernen“, ebenso wenig wie schulische oder universitäre Grundausbildung. Es geht um Flexibilität, Kritikfähigkeit und Lernfähigkeit – allesamt Kompetenzen, die einem dabei helfen, sich in einer ständig wandelnden Arbeitswelt zu behaupten.

„Bildung ist der Schlüssel, um im Leben eine bessere Position zu erhalten.“

Christoph Badelt

Damit zurück zum persönlichen Nutzen: Geht es nach einer britischen Studie, sind höher Gebildete im Schnitt zufriedener als Personen ohne Uni-Abschluss. Für die Studie wertete das Higher Education Funding Council for England eine nationale Umfrage aus, die Antworten von mehr als 107.000 Erwachsenen wurden herangezogen. Akademiker bewerteten ihr persönliches Wohlbefinden höher, sie empfinden mehr Sinn in ihrem Tun und gaben sogar an, glücklicher zu sein. Badelt erklärt das so: „Die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeit zu haben, die einen zufrieden stellt, ist sicher mit höherer Bildung größer. Und Arbeit ist nun einmal ein großer Teil des Lebens.“ Der Publizist Roger Willemsen äußerte einmal in einem Zeitungsinterview eine noch weiter gehende These. Er meinte: „Es gibt ein Glück des Denkens, das durch andere Glückszustände nicht ersetzbar ist.“ So gesehen trägt lebensbegleitende Weiterbildung dazu bei, dieses Glück immer wieder aufs Neue zu erleben.

Fest steht in jedem Fall, und das zeigen Studien aus verschiedenen Ländern: Lebensbegleitende Weiterbildung hat starke volkswirtschaftliche Effekte, da sie das Qualifikationsniveau der Bevölkerung hebt, Einkommen, Innovationskraft sowie internationale Wettbewerbsfähigkeit steigert und Gesellschaften robuster gegenüber Arbeitskräftemangel oder Effekten einer alternden Bevölkerung macht. Jeder Euro in die Weiterbildung kommt vielfach zurück.


MARTIN KOCHER
Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher leitet das Institut für Höhere Studien (IHS). Er ist seit 2017 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien und u.a. affiliierter Professor an der Universität Göteborg.

WOLFGANG LUTZ
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lutz ist Demograf mit dem Forschungsschwerpunkt internationale Bevölkerungsentwicklung und Bildung. 2010 gründete er das Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital, eine Kooperation zwischen IIASA, dem Vienna Institute of Demography (VID) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien.

CHRISTOPH BADELT
em. o. Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt ist Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO). Davor war der Wirtschaftswissenschafter Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien.

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