27.07.2022

Im Juli 2022, dem dritten Semester ihrer Gastprofessur, war es nach coronabedingtem Warten schließlich möglich, dass Heike Köckler von der Hochschule für Gesundheit Bochum die Universität für Weiterbildung Krems vor Ort besuchen konnte. Im Rahmen eines Brown Bag Talks präsentierte sie die transdisziplinären Herausforderungen ihres Projektes im Bereich Urban und Community Health anhand einer Machbarkeitsstudie für das Ruhrgebiet.

Prof. Dr. Heike Köckler ist habilitierte Raumplanerin und Professorin für Sozialraum und Gesundheit an der Hochschule für Gesundheit Bochum. In ihrem Forschungsbereich Urban Health kommt es zu einem Zusammenwirken von zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen in einem Dialog mit den Menschen. Im Projekt StadtGesundheit beschäftigt sich Köckler mit den vielfältigen Aspekten, wie das städtische Leben die menschliche Gesundheit beeinflusst. Städte bieten höhere Bildungschancen, gut erreichbare Arbeitsplätze und oftmals „aktiv“ zurücklegbare Wege. Dafür geht das engere Zusammenleben von Menschen mit dem Risiko einer schnelleren Ausbreitung von Infektionserkrankungen einher, dazu kommen Lärm- sowie Luft-, Boden- und Wasserbelastung. Eine weitere Problemebene ist, dass diese Nachteile sozialräumlich ungleich verteilt sein können bzw. es unterschiedliche soziale Belastungssituationen in den Städten gibt.

Multifaktorielles Thema Gesundheit in Städten

Wie stark sich diese Unterschiede in den Belastungen niederschlagen können, zeigen Untersuchungen, denen zufolge in derselben Stadt je nach Wohngegend die Lebenserwartung um sieben bis acht Jahre auseinandergehen kann. Hohes Einkommen, höhere Bildung, Wohnen in Ruhelage und eine hohe Gesundheitskompetenz wirken sich naheliegend lebensverlängernd aus. Gegenteilig wirken sich beispielsweise stark befahrene Straßen, der Mangel an Grünflächen und ein geringeres Einkommen aus. Aktuelle Entwicklungen wie Hitzeinseln in besonders dicht verbauten Bezirken und auch die aktuelle COVID-19-Pandemie verstärken zahlreiche Folgen der sozialen Ungleichheit. Die erste internationale Konferenz zum Thema Gesundheitsförderung fand zwar bereits 1986 statt und brachte die Ottawa Charta hervor. Zu ihren Zielen gehört eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik, zu der auch der Abbau der gesundheitlichen Unterschiede innerhalb der Gesellschaften zählt. Doch ist hier noch viel zu tun.

Unterschiede in der Lebensqualität

Im Ruhrgebiet gibt es viele der benannten Handlungsbedarfe, die sich in unterschiedlicher Lebensqualität und Entwicklungsmöglichkeiten beispielsweise auch bei Schulkindern niederschlagen. Während in einzelnen Bezirken fast 90 Prozent der Kinder eine Empfehlung fürs Gymnasium erhalten, sind es in anderen Stadtbezirken häufig weniger als zehn Prozent der Kinder. Zu StadtGesundheit im Ruhrgebiet leitet Köckler derzeit eine Machbarkeitsstudie für einen transdisziplinären Prozess. Aus zahlreichen Einzelinterviews mit Stakeholdern wurden kategorisierte Aussagen gewonnen, die in verdichteter Form die Kernanliegen der Stakeholdergruppen wiedergeben. Die Auswertung der Interviews ergab etwa, dass die jungen Stadtteile bei der Kinder- und Jugendgesundheit sowie den vulnerablen Gruppen benachteiligt sind. An einen klimagerechten Stadtumbau wiederum gibt es die Forderung nach Entsieglung und Durchgrünung, die mit einer Nachverdichtung in Konflikt steht.

Einen transdisziplinären Prozess aufgleisen

Aktuell befindet sich das Projekt in einer frühen Problemdefinitionsphase. Die administrative Zerstücklung des Bezirks führt zu einer Vielzahl an Akteur_innen. Unter dem Eindruck der Teilnahme an der 1st Global Transdisciplinarity Conference an der Universität für Weiterbildung Krems stellte sich Köckler zwei Fragen: Welche Methoden sollen zum Einsatz kommen und wer entscheidet im transdisziplinären Prozess? Ein Ziel ist es, bei allen Projektbeteiligten ein Gefühl von Ownership zu erreichen, damit der gemeinsame Prozess als solcher verstanden wird. Eine Frage, die sich beim Zusammenspiel von Forschenden mit Akteur_innen außerhalb der akademischen Sphäre ergibt, ist zum einen das Finden einer gemeinsamen Sprache und zum anderen wie sich die unterschiedlichen Arten von Argumenten – wissenschaftliche wie gesellschaftliche – konstruktiv in den Prozess integrieren lassen.

Diskussion mit reger Beteiligung

Die folgende Diskussion vertiefte unter anderem den Aspekt der gemeinsamen Sprache, der schon bei verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen schlagend wird. Im Rahmen von StadtGesundheit ist auch die Motivation der Bevölkerung zur Bewegung ein Thema, dessen Herausforderungen besprochen wurden. Eine ähnliche Problematik zeigt sich etwa bei Vorsorgeuntersuchungen. Diskussionsteilnehmerin Univ.-Prof. Eva Schernhammer, MD, Dr.PH, MPH, MSc, Medizinische Universität Wien, verwies hierbei auf das Präventionsparadoxon: Die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen wird ex post oft nicht erkannt oder angezweifelt. Als Beispiel führte sie die Diskussionen um die Lockdowns im Zuge der Pandemiebekämpfung an.

Zum Anfang der Seite