28.04.2020

Räumliche Eigenschaften unserer Umwelt beeinflussen das Wohlbefinden, die Gesundheit und das Verhalten von Menschen. Auch die Gestaltung von Lernräumen hat einen Einfluss auf den Erfolg von Bildungsmaßnahmen. Die besonderen Anforderungen an Lern- und Innovationsräume im Weiterbildungsbereich werden derzeit von einem interdisziplinären Forschungsteam an der Universität für Weiterbildung Krems untersucht. Der ideale Raum für das Lernen, soweit erste Erkenntnisse, ist abhängig von einer ganzen Palette an Faktoren, vom Licht bis zur Möblierung.

„In der Bildungsforschung, insbesondere im Bereich der Hochschulbildung, gibt es bereits eine intensive Auseinandersetzung mit dem Einfluss der Gestaltung von Lernräumen auf das Lernen und den Lernerfolg. Aus der Weiterbildungsforschung wissen wir, dass Erwachsene anders lernen als Kinder, was bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen berücksichtigt werden muss. Das legt nahe, dass Lernumgebungen im Erwachsenenbildungsbereich auch andere Anforderungen erfüllen müssen“, skizziert DI Christina Ipser die Ausgangsthese einer interdisziplinären Forschungsgruppe an der Donau-Universität Krems, die 2019 ein Forschungsprojekt zu den Erfolgskriterien von Lern- und Innovationsräumen in der Weiterbildung begonnen hat. Ziel des Projekts Learning and Innovation Spaces for Continuing Education, kurz [LIS], so Ipser, ist zu eruieren, welche Anforderungen an die bauliche und räumliche Gestaltung von Lern- und Innovationsräumen in der Erwachsenenbildung bestehen und wie diese in der Praxis auch erfüllt werden können. Dazu ist in den verschiedenen am Projekt beteiligten Fachdisziplinen unterschiedliches – und bisher voneinander isoliertes - Wissen vorhanden. In einem transdisziplinären Prozess wird dieses Wissen nun zusammengeführt und gemeinsam werden Methoden für die weitere Forschung in dem Themenfeld erarbeitet. Entwicklungen wie Internationalisierung, Digitalisierung und neue Lern- und Lehrmethoden werden dabei berücksichtigt. Wie eine Voruntersuchung zeigt, haben sich diese im Lauf der Geschichte deutlich verändert.

Vom Gespräch über den Frontalvortrag zurück zu interaktiven Lernformaten

Fand in der Antike der Unterricht noch in Form eines Dialogs mit den Lehrenden statt, häufig in Spaziergängen abgehalten, saßen sich ab dem Mittelalter Studierende in den Domschulen in Pultreihen gegenüber, ähnlich wie Mönche bzw. Nonnen im Chorgestühl. An den ebenfalls im Mittelalter aufkommenden Universitäten standen Lehrende an einem Pult und lasen den ihnen gegenübersitzenden Hörenden aus den damals kostbaren Schriftstücken vor, Begriffe wie Vorlesung und Hörsaal gehen darauf zurück. Mit dem Wachsen der Universitäten und der Studierendenzahlen in der Industrialisierung vergrößerten sich auch die Hörsäle. An der räumlichen Anordnung von Lehrenden und Studierenden hat sich dabei bis heute wenig verändert, wenngleich zahlreiche neue interaktivere Formate der Wissensvermittlung- und -erarbeitung bekannt sind und auch praktiziert werden, wie der heutige Hochschulbetrieb zeigt.

Gerade die spezifischen räumlichen Anforderungen im Weiterbildungsbereich sind derzeit jedoch noch wenig untersucht, obwohl bekannt ist, dass sich die Erwachsenenbildung erheblich vom Lernen in formalen Bildungssystemen unterscheidet. Hier setzt das Projekt [LIS] an.

Verschiedene Forschungsansätze

Im Rahmen des Projektes kommen verschiedene methodische Ansätze zur Anwendung. Einerseits werden derzeit systematische Literaturrecherchen durchgeführt. Dabei durchforstet das Projektteam die internationale Fachliteratur systematisch nach Studien, die sich mit dem Einfluss von Räumen oder bestimmten räumlichen Eigenschaften auf Lern- und Innovationsprozesse bei Erwachsenen befassen, um herauszufinden welche Zusammenhänge hier bereits untersucht sind und welche Erkenntnisse sich daraus ableiten lassen. Parallel wird ein Systemmodell entwickelt, worin die unterschiedlichen Einflussfaktoren auf das Zusammenspiel zwischen räumlicher Umgebung und den darin stattfindenden Prozessen im Kontext der Weiterbildung abgebildet werden. Zu diesen gehören nicht nur die räumlichen Charakteristika von Lernumgebungen, sondern auch Merkmale und Eigenschaften der Lernenden und Lehrenden, die Art der Gestaltung von Lern- und Innovationsprozessen, die angewandten didaktischen Ansätze und Methoden, der Einsatz von (Lern-)Technologien auch die organisatorischen Rahmenbedingungen. In die Entwicklung des Systemmodells fließt nicht nur das Wissen der beteiligten Forscherinnen und Forscher ein, es werden darüber hinaus gezielt Praxiswissen und Erfahrungen von Lehrenden und Lernenden sowie von Personen aus dem Bereich Organisation und Infrastrukturverwaltung abgeholt.

Fallstudie und Walking Interviews

Um das Systemmodell anzureichern und die Hypothesen über die Wirkzusammenhänge weiterzuentwickeln, wurde im vergangenen Dezember anhand eines einwöchigen Lehrmoduls an der Donau-Universität Krems eine umfassende Fallstudie durchgeführt. Dabei wurden die organisatorischen und räumlichen Rahmenbedingungen des Moduls genau dokumentiert und verschiedene Befragungen, Experimente und Interviews durchgeführt – sowohl mit den Lernenden und Lehrenden, aber auch mit Personen aus dem Supportteam (Organisation, E-Learning, EDV und Facility Management). Im Rahmen von 13 Walking Interviews wurden die Studierenden nicht nur zu den Seminarräumen, sondern auch zu verschiedenen anderen Räumen und Orten am Campus befragt (Bibliothek, frei zugängliche Aufenthaltsbereiche, Gastronomie und Außenanlagen) um herauszufinden, ob und in welcher Weise diese Räume im Rahmen des Studiums genutzt werden, wie sie bewertet werden und wie die jeweiligen räumlichen Eigenschaften und vorhandene Ausstattung von den Studierenden wahrgenommen und beschrieben werden.

Von Licht bis Sichtverbindungen

Noch sind nicht alle erhobenen Daten vollständig ausgewertet und weitere Erhebungen werden in den Sommermonaten durchgeführt, „aber anhand der Literaturrecherchen und der ersten Ergebnisse der Fallstudie sehen wir, dass räumliche Eigenschaften, von denen bekannt ist, dass sie einen Effekt auf das Wohlbefinden von Menschen haben, auch im Bereich der Weiterbildung und für kreative Prozesse eine wichtige Rolle spielen.“ Das betrifft etwa die Verfügbarkeit von Tageslicht und die Qualität der Beleuchtung, Schutz vor Lärm und eine gute Akustik, eine angemessene Farbgestaltung, den Einsatz von Naturmaterialien und Pflanzen, Ausblick und Sichtverbindungen in den Außenraum, eine räumliche Großzügigkeit bei gleichzeitig vorhandenen Rückzugsmöglichkeiten usw. In den Interviews mit den Studierenden wurde sehr häufig auch die Möblierung thematisiert, teilweise auch das Fehlen von Ausstattungselementen sowie der Bedarf an Bereichen für Teamarbeiten, persönlichen Austausch und Kommunikation. Insgesamt, das findet auch das Projektteam erfreulich, wurde der Campus mit seinen Räumlichkeiten von den Studierenden durchaus positiv bewertet. „Interessant finden wir dabei,“ so Dr. Gregor Radinger, „dass vor allem die Raumeigenschaften im Altbau der Donau-Universität als besonders positiv wahrgenommen werden. Das haben wir auch schon in früheren Befragungen und Experimenten mit Studierenden beobachtet.“

Das 2019 gestartete Projekt wird von einem interdisziplinären Team aus neun Departments durchgeführt und läuft noch bis Ende des Jahres 2020.

Logo Learning and Innovation Spaces
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CC, DUK

Learning and Innovation Spaces for Continuing Education Lern- und Innovationsräume für die Weiterbildung
Projektlaufzeit: 2019 – 2020
Projektleitung: DIin Christina Ipser, Arch. DI Dr. Gregor Radinger, MSc, Department für Bauen und Umwelt, Donau-Universität Krems
 

KERNTEAM: DEPARTMENT FÜR BAUEN UND UMWELT, Arch. DI Dr. Gregor Radinger, MSc, DIin Christina Ipser, Cornelia Winter

DEPARTMENT FÜR WEITERBILDUNGSFORSCHUNG UND BILDUNGSTECHNOLOGIEN: Ass.-Prof.in Dr.in Filiz Keser Aschenberger, Mag. Sonja Brachtl, MA, Assoz. Prof. Dr. Attila Pausits, PhD, Isabell Grundschober, BEd BSc

DEPARTMENT FÜR WISSENS- UND KOMMUNIKATIONSMANAGEMENT: Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerald Steiner, Ass.-Prof. Mag. Dr. Lukas Zenk, Mag.a Nicole Hynek, Mag. Günther Schreder, Dr. Liliya Satalkina

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