Der Einfluss der Landwirtschaft auf die Umwelt wird immer größer. Gefragt sind neue Ideen, um den Bedarf an Nahrungsmitteln auch in Zukunft zu stillen und gleichzeitig nachhaltiger zu agieren. Dass hier vieles möglich ist, zeigt ein Projekt aus der Süßwasser-Aquakultur.

Von Martin Kugler

Die Landwirtschaft ist der größte Eingriff der Menschheit in die Natur: Um Ackerbau und Viehzucht treiben zu können, begann der Mensch schon zu Beginn der „neolithischen Revolution“ vor rund 12.000 Jahren, die Landschaften für seine Zwecke umzugestalten. Mitteleuropa beispielsweise wäre ohne Landwirtschaft fast durchgehend von dichten Wäldern bedeckt. Heute sind mehr als ein Drittel der Landflächen der Erde vom Menschen grundlegend verändert – nur rund 20 Prozent der eisfreien Flächen gelten als weitgehend unberührt.

Die negativen Folgen einer Übernutzung der natürlichen Ressourcen waren zwar schon den Völkern in der Antike bekannt. Doch das hinderte die Menschheit nicht daran, die Produktion über die Jahrhunderte und Jahrtausende immer mehr auszuweiten. Angesichts des Bevölkerungswachstums hatte man freilich auch kaum eine andere Wahl: Erst die Mechanisierung der Landwirtschaft, die Entwicklung künstlicher Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie die Züchtung von Hochleistungssorten („Grüne Revolution“) ermöglichten es, die Menschheit trotz der Vervielfachung der Zahl an hungrigen Köpfen zu ernähren.

Doch auf der anderen Seite wurden und werden die Schäden an der Umwelt immer größer. Niederländische Forscher fanden jüngst in mehr als 80 Prozent aller untersuchten Bodenproben (aus elf EU-Staaten) Pestizid-Rückstände. Der Nitratgehalt des Grundwassers ist vielerorts zu hoch, die Böden werden in vielen Teilen der Welt aufgrund von Erosion und Auslaugung immer schlechter, die Artenvielfalt nimmt ab – aktuelles Stichwort: Insektensterben. Durch landwirtschaftliche Nutzung geraten außerdem große Mengen an gelöstem Bohorganischen Material (DOM) in Bäche und Flüsse; welche Auswirkungen das hat und wie man diesen Eintrag vermindern könnte, wird unter anderem von Martin Brandl an der Donau-Universität Krems untersucht.

In Österreich ist die negative Entwicklung zwar wegen des überdurchschnittlich hohen Anteils von biologisch wirtschaftenden Betrieben etwas gebremst, doch auch hierzulande nehmen in der Landwirtschaft sowohl die Betriebsgrößen als auch die Umweltbelastung zu.

Lebensmittelproduktion stößt an Grenzen

Dazu kommen noch die vielen Veränderungen, die der vom Menschen verursachte Klimawandel mit sich bringt. Sommerliche Trockenheit zum Beispiel drückte in den vergangenen Jahren in vielen Regionen der Welt auf die Erträge. Einen Ausweg sehen Landwirte vielfach darin, die künstliche Bewässerung auszuweiten – was die Probleme mit knappem und dadurch auch immer stärker belastetem Grundwasser noch vergrößert. Der Klimawandel macht sich aber auch in Bereichen bemerkbar, wo man ihn auf den ersten Blick nicht vermuten würde: Laut dem jüngsten Spezialbericht des Weltklimarates IPCC zur Kryosphäre und zu den Weltmeeren führt der steigende CO2-Gehalt der Atmosphäre zu einem Rückgang der Fischerei um sechs bis 20 Prozent.

Gleichzeitig wird aber auch der Ausstoß von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft immer größer: Je nach Berechnungsmethode liegt ihr Anteil an den Gesamtemissionen zwischen zehn und 20 Prozent – wovon die Fleischproduktion mehr als die Hälfte ausmacht.

Als sicher gilt daher: Die heutige Art, wie wir Nahrungsmittel herstellen, stößt an ihre Grenzen. Im globalen Maßstab gesehen, zählen naturverträgliche Verbesserungen bei der Lebensmittelproduktion zu den dringendsten Herausforderungen der Menschheit.

Digitale Technologien

Doch was tun? Eine großflächige Umstellung auf Bio-Landwirtschaft, die definitiv schonender mit den natürlichen Ressourcen umgeht, gilt gemeinhin als keine Lösung – zumindest so lange nicht, als die Ernährungsgewohnheiten der Menschen im Wesentlichen gleich bleiben und der grassierenden Lebensmittelverschwendung nicht Einhalt geboten werden kann. Denn der Verzicht auf synthetische Betriebsmittel lässt nur geringere Ernten zu.

Vielen gilt eine verstärkte Nutzung moderner Technologien als möglicher Ausweg. Man muss dabei nicht unbedingt an Gentechnik denken – auch wenn viele Experten diesen Weg als gangbar erachten. Aber einig ist man sich weitgehend, dass die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, viele Probleme zu lindern vermag. Durch eine exakte Messung des Zustands des Bodens und der Bedürfnisse von Pflanzen lassen sich zum Beispiel Dünge- und Pflanzenschutzmittel wesentlich zielgerichteter einsetzen. Davon haben nicht nur die Landwirte etwas, sondern auch die Umwelt. Auch das Tierwohl lässt sich durch ein besseres Monitoring von Herden steigern, indem Bauern frühzeitig vor möglichen Problemen gewarnt werden und eingreifen können. Diese Entwicklungen stecken noch in den Kinderschuhen, und derzeit ist unklar, ob dies auch für Kleinbauern, nachgerade in Entwicklungsländern, machbar ist – oder ob die digitalen Technologien nur einer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft Vorschub leisten.

Synergien zwischen Pflanzen

Daher präferieren andere Vordenker ganz andere Zugänge. Zum Beispiel Methoden wie „Agroforestry“ oder „Mischkulturen“. Der Grundgedanke dabei ist es, von Monokulturen wegzukommen und Pflanzen gemeinsam zu kultivieren, die sich in ihrem Wachstum gegenseitig unterstützen und zum Beispiel Schädlinge von den Kulturen fernhalten. In Europa hat dies keine große Tradition, doch in anderen Teilen der Welt gibt es hierzu viel Erfahrungswissen – das nun auch im Rahmen der UNO systematisch weiterentwickelt wird. Ein bekanntes Beispiel ist ein „Milpa“ genanntes Agrarsystem, das seit langem in Mittelamerika praktiziert wird und bei dem Mais, Bohne und Kürbis gemeinsam auf einer Fläche angebaut werden. Das bringt große Synergien: Der Mais dient den Bohnen als Rankhilfe, die Bohnen wiederum liefern dem Mais Stickstoff, während die großen Blätter der Kürbisse den Boden bedecken und so Erosion durch Regen und Austrocknung verhindern.

Raps und Kürbiskern statt Fischöl und Fischmehl

Aber auch im Rahmen der bestehenden Agrarstrukturen gibt es erhebliche Potenziale, gleichzeitig die Ernährungssituation zu verbessern und die Umweltauswirkungen zu minimieren. Ein interessantes Beispiel dafür gibt es aus der Fischzucht. Wie oben schon erwähnt, ist der Fischfang rückläufig. Da aber gleichzeitig die Nachfrage nach Fisch zunimmt, gibt es daraus nur eine logische Konsequenz: Die Produktion in Aquakulturen wird weiter steigen – schon jetzt stammt die Hälfte aller weltweit verspeisten Meeresfrüchte aus Zuchtanlagen, Tendenz stark steigend. Das bedeutet freilich auch, dass der Druck auf die Nahrungsmittelproduktion weiter zunimmt – denn Fische in Aquakultur müssen, anders als Wildfische, gefüttert werden. Und das ist noch dazu ziemlich aufwendig, auch und gerade in der Süßwasser-Aquakultur.

Herkömmlicherweise sind Fischmehl und Fischöl wichtige Bestandteile des Fischfutters: Sie stellen zum einen die richtige Proteinzusammensetzung und zum anderen auch langkettige, mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren bereit, die ernährungsphysiologisch sehr wichtig sind. Die Fischmehl- und Fischölproduktion aus marinen Fischen wirft allerdings viele Probleme auf – vor allem hinsichtlich deren Verfügbarkeit, Kosten und Nachhaltigkeit. Es geht aber auch anders, wie ein Projekt beweist, das am WasserCluster Lunz von Hannes Hager und Martin Kainz gemeinsam mit der Firma GARANT Tiernahrung durchgeführt wurde1: Dabei wurde in aufwendigen Versuchsreihen mit Seesaiblingen Fischöl und Fischmehl durch Rapsöl und Kürbiskernkuchen, ein Nebenprodukt der Kürbiskernöl-Herstellung, ersetzt. Es zeigte sich, dass bei bestimmten Futter-Rezepturen mit reduziertem Fischanteil die Wachstumsleistungen kaum geringer waren und insbesondere die Omega-3-Fettsäuren im Gewebe nicht gravierend reduziert waren. Die Fische behielten somit ihren gesundheitlichen Wert in der menschlichen Ernährung – und gleichzeitig war ihre Produktion deutlich nachhaltiger als mit herkömmlichem Fischfutter.

Martin Kugler ist Chefredakteur des Magazins „Universum“.

 


1H. Hager, M. J. Kainz, E. Schneeberger: Auswirkungen des teilweisen Ersatzes von Fischmehl durch tierische und pflanzliche Proteinquellen im Fischfutter auf Wachstum und Fettsäuremuster des Elsässer Saiblings (Salvelinus fontinalis x Salvelinus alpinus), in: Österreichs Fischerei, 70. Jg., Heft 5/6, Mai 2017, S. 146 – 151


HANNES HAGER
Hannes Hager ist Fischereimeister und Fischereisachverständiger; er arbeitet seit acht Jahren als technischer Angestellter und Berater in Aquakulturprojekten in der Forschungsgruppe LIPTOX der Donau-Universität Krems.

MARTIN KAINZ
Priv.-Doz. Dr. Martin Kainz leitet die Forschungsgruppe LIPTOX am WasserCluster Lunz.

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