06.03.2024

Der Weltfrauentag am 8. März ruft uns in Erinnerung, dass Geschlechterrollen und Kulturerbe eng miteinander verknüpft sind. Offensichtlich sind die Geschlechterzuweisungen beim immateriellen Erbe: Der Rückgriff auf „Tradition“ bestimmt die Rollenverteilung und Machtverhältnisse: wer besitzt die Autorität zu entscheiden was „gut“ und „böse“ ist, wer „darf“ Handwerkstechniken, Erziehungs- und Pflegetätigkeiten (und auch Leitungsfunktionen) ausüben und an die nächste Generation vermitteln? Auch religiöse Praktiken und die Erlaubnis zum Betreten religiöser Stätten unterliegen geschlechtsspezifischen Unterschieden. Allerdings sind die Geschlechterrollen nicht „in Stein gemeißelt“. Der Weg zur Gleichberechtigung erfolgt auf Grund kultureller und wirtschaftlicher Hintergründe mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten (und führt auch immer wieder zu Rückschlägen). Radikale Wechsel in den Geschlechterordnungen gehen aber oftmals auf tragische Ereignisse zurück: in Kriegszeiten, als die Männer als Soldaten kämpften, und in Unrechtsregimen wurden Frauen für Tätigkeiten (z.B.in der Industrie und bei der Eisenbahn) herangezogen, die bislang in Friedenszeiten Männern vorbehalten waren. Auch in der Landwirtschaft wurde die althergebrachte Rollenverteilung neu definiert.

Wenn auch das Kulturerbe einen wesentlichen Beitrag zur Geschlechteridentität leistet, so dürfen wir nicht vergessen, dass es das Brauchtum mit Frauen nicht immer „gut meint“: Während der Faschingszeit (mit entsprechender Verkleidung und versteckt hinter einer Maske) werden Übergriffe oder gar Gewalt an Frauen und Mädchen bislang euphemistisch als gesellschaftlich notwendiger „Rügebrauch“ getarnt (was jedenfalls in Österreich von Polizei und Gerichten immer weniger toleriert wird). Zwangs- und Kinderverheiratung wie auch Genitalverstümmelungen an jungen Frauen – obgleich diese Handlungen in manchen Kulturkreisen als „immaterielles Erbe“ gerechtfertigt werden – stellen nicht hinzunehmende Menschenrechtsverletzungen dar. Die UNESCO stellte jedenfalls in ihrem Abkommen von 2003 über den Schutz des immateriellen Erbes klar (Artikel 2, Absatz 1), dass lediglich Menschenrechts-konforme Praktiken durch das Abkommen Schutz genießen und es wert sind, an die nächsten Generationen weitervermittelt zu werden.

Peter Strasser

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