30.10.2025

Das GovCamp Vienna im Rahmen der Digital Days brachte am 13. Oktober 2025 erneut Interessierte aus der Zivilgesellschaft sowie VertreterInnen aus Verwaltung, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, um sich über den europäischen Weg in der digitalen Welt auszutauschen. In Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen stand dabei besonders die Frage im Mittelpunkt, wie dieser Weg weiterhin vom Digitalen Humanismus geprägt werden kann. Gemeinsam wurde darüber diskutiert, wie Europa die digitale Transformation aktiv gestalten und welche Rolle „AI for Good“ dabei spielen kann. 

Als Unkonferenz zur Eröffnung der Digital Days bot das GovCamp Raum für offenen Dialog, Austausch und neue Impulse. Thomas Schuhböck erinnerte in seinem Beitrag daran, dass es sich bereits um das 16. GovCamp handelt – und dass an diesem Tag die digitale Welt auf die analoge trifft. Die von den Teilnehmenden eingebrachten Sessions bildeten die Grundlage, um Ideen, Perspektiven und Verantwortlichkeiten im digitalen Europa gemeinsam zu reflektieren. 

Session 1 – Führung verbessern durch KI von Andreas Schobesberger 

Zu Beginn der Session stand die provokante Frage im Raum: 
„Wenn es nur eine einzige Führungsstärke gäbe, welche würde über Erfolg oder Misserfolg entscheiden?“ 

Genannt wurden unter anderem Konfliktmanagement, Lösungskompetenz, Resilienz, Kommunikation, Empathie und Zielerreichung. Schnell wurde deutlich, dass es weniger um einzelne Fähigkeiten als um Meta-Kompetenzen geht – die „eierlegende Wollmilchsau-Führungskraft“ bleibt eine Illusion. 

Im praktischen Teil wurde ein KI-System vorgestellt, das auf Inhalten des Buchprojekts „Werde dir deiner Führungsstärken bewusst und entwickle sie systematisch weiter“ basiert. Eine praxisnahe Geschichte aus dem Führungsalltag diente als Ausgangspunkt: Die KI analysierte die Situation und schlug mehrere Handlungsoptionen samt möglicher Konsequenzen vor. Ergänzend wurden zwei ungünstige Reaktionsweisen aufgezeigt. 

Die Ergebnisse wurden als überraschend präzise und qualitativ hochwertig bewertet. Der Einstieg in die Interaktion wurde als niederschwellig empfunden. In der anschließenden Diskussion wurden folgende Punkte festgehalten: 

  • Chancen: KI kann als neutraler Sparringpartner dienen, um Handlungsoptionen rasch zu reflektieren. 

  • Grenzen: Sie ersetzt keinen menschlichen Coach – der Kontext bleibt entscheidend. 

  • Prompting: Präzise Anweisungen verbessern die Ergebnisqualität erheblich. 

Interessierte können den Autor unter KI@vmq.at kontaktieren. 

Session 2 – Digitalisierung und Diversität von Magdalena Schrott 

Die Session widmete sich den Fragen: 

  • Wie ermöglichen wir digitale Teilhabe? 

  • Welche Barrieren müssen abgebaut werden? 

  • Gibt es Good-Practice-Beispiele aus Wien oder darüber hinaus? 

Diskutiert wurde, dass oft über gute Prompts gesprochen wird, aber selten darüber, wer überhaupt die Möglichkeit hat, sie zu erstellen. Der Digital Divide bleibt ein Thema – insbesondere, wenn digitale Zugänge etwa bei Anmeldungen reduziert werden. 

Digitalisierung manifestiert sich häufig in IT-Projekten, bei denen Zielgruppen frühzeitig eingebunden werden sollten. Non-Profit-Organisationen können hier wertvolle Perspektiven einbringen. In der öffentlichen Verwaltung ist diese Einbindung mittlerweile häufig verpflichtend. Eine transparente Veröffentlichung von Anforderungen und Projektergebnissen kann Synergien und Kosteneinsparungen schaffen. 

Besonders hervorgehoben wurde der Stellenwert von Diversität in der Projektsteuerung: Unterschiedliche Perspektiven erhöhen die Qualität digitaler Lösungen. Auch Mehrsprachigkeit und altersgerechte Ansprache spielen eine zentrale Rolle – von QR-Codes für Jüngere bis zu klaren Anleitungen für Ältere. 

Intern fördern Kurzvideos und Microlearning-Formate den Wissensaustausch. Weiterbildung und Austausch sind entscheidende Erfolgsfaktoren und können auch Teil der Arbeitszeit sein. 

Session 3 – Wie viel Schutz braucht die EU von Thiemo Rydlo 

Die Diskussion befasste sich mit der Frage, wie Europa seine sicherheitspolitische Resilienz stärken kann – technologisch, infrastrukturell und kommunikativ. 

Ausgehend von zunehmenden Zwischenfällen mit Drohnen wurde auf fehlende EU-weite Regelungen und technische Kapazitäten hingewiesen. Europa müsse klären, wo und wie der Ausbau von Überwachungs- und Abwehrsystemen beginnen soll. 
Das Zusammenspiel von Erkennen und Abfangen wurde als Kernproblem benannt: Sensorik allein reicht nicht, solange geeignete Gegenmaßnahmen zum Abfangen fehlen. Optionen wie Jammer oder Abfangdrohnen wurden diskutiert – mit Blick auf autonome Systeme als neue Herausforderung. 

Im Bereich kritischer Infrastruktur wurde die strategische Unabhängigkeit Europas betont. Notwendig seien koordinierte Investitionen, um fremde Einflussnahmen zu verhindern und Infrastruktur-Souveränität zu sichern – physisch wie digital. Fehlende Abstimmung innerhalb der EU gilt als zentrales Risiko. 

Europa müsse seine technologische Eigenständigkeit ausbauen – insbesondere in Energie, KI, IT und Satellitennavigation. Der Abbau bürokratischer Hürden könne Innovation fördern. Zugleich sei zu prüfen, wie bestehende Abhängigkeiten entstanden und wie unerwünschte Kapitalbeteiligungen („Buy-ins“) verhindert werden können. 

Abschließend wurde die Rolle öffentlicher Kommunikation hervorgehoben: Sie sollte klar, ehrlich und unpolitisch sein, eigene Fehler benennen und Vertrauen fördern. Offene, inklusive Diskurse gelten als Schlüssel, um Spaltung und Desinformation vorzubeugen.

Session 4 – Smart Learning Design von Gregor Eibl und Gabriela Viale Pereira 

Nach einer kurzen Einführung und Vorstellung von AI4Gov-X startete die Session mit einer Mentimeter-Umfrage zum Vorwissen der Teilnehmenden. Anschließend wurden Schulungsideen rund um den KI-Einsatz gesammelt. Die Hosts brachten auch ihre Erfahrungen aus der Gestaltung universitärer Weiterbildung betreffend KI ein. 

Im Mittelpunkt stand die Bedeutung realistischer Selbsteinschätzung. Anhand der Metapher „Passagier im Flugzeug vs. Fahrer*in im Auto“ wurde verdeutlicht, dass unterschiedliche Rollen beim KI-Einsatz auch unterschiedliche Verantwortung bedeuten. Zudem wurde betont, dass der Begriff Künstliche Intelligenz häufig irreführend ist – ChatGPT ist keine Suchmaschine. 

Besonderes Augenmerk galt der Frage, wie man KI-Fehler („Halluzinationen“) in Trainings thematisiert. Hybride Lernformate, persönliche Vernetzung und die Vermittlung digitalpolitischer Grundlagen – etwa zu Tech-Monopolen – wurden als wichtig erachtet. 

Vorgeschlagen wurden Microlearning, gamifizierte Formate und modulare Lernangebote. Eine Idee war der „KI-Clippy“: Ein Tool, das Wissen testet, individuelle Lernpfade vorschlägt und eine sichere Umgebung zum Experimentieren bietet. 

Auch das Wissensmanagement von Best Practices wurde diskutiert – wie Erfahrungen systematisch gesammelt und geteilt werden können. Lernangebote sollen echten Mehrwert bieten, etwa durch personalisierte Agenten. Abschließend wurde betont, dass rechtliche Unsicherheiten häufig Lernhemmnisse darstellen – hier könne gezielte Aufklärung helfen. 

Session 5 – Rechte und Pflichten der KI von Eva-Christine Hasler 

Die Diskussion verdeutlichte, wie breit KI bereits genutzt wird – von Textzusammenfassungen über Übersetzungen bis hin zu Chatbots, Cybersecurity und Advanced Analytics. KI ist längst in alltäglichen Tools integriert und unterstützt bei Recherche, Informationsaufbereitung und Entscheidungsfindung. Auch innerhalb der Stadtverwaltung wächst der Einsatz – etwa durch die WienKI. 

Ein Kernthema war die Haftung bei Fehlentscheidungen. Grundsätzlich haften Unternehmen oder Anbieter, wenn KI geschäftlich eingesetzt wird; Mitarbeitende tragen Verantwortung bei grob fahrlässigem Verhalten. Klare Richtlinien sind daher essenziell. 

Zur Vertrauenswürdigkeit wurde diskutiert, dass Vertrauen in generative KI nur durch informierte Nutzung entstehen kann. Eine vertrauenswürdige KI sollte sicher, transparent, fair und ethisch vertretbar sein – im Sinne des EU AI Acts. Wünschenswert sind offene Quellcodes und Informationen zu Trainingsdaten, auch wenn die steigende Komplexität dies erschwert. 

Fazit: KI ist fester Bestandteil unseres digitalen Ökosystems und verlangt Verantwortungsbewusstsein, Transparenz und klare Regeln. 

Session 6 – Was ist, wenn KI underhyped ist von Wolfgang Schenk 

Die Session zeigte, dass die Begeisterung für IT und Wirtschaftsinformatik ungebrochen ist. Frei verfügbare KI-Modelle und leistungsfähige Hardware treiben die Entwicklung rasant voran. Viele Fachleute erwarten fundamentale Veränderungen – oft größer, als derzeit absehbar. 

Die Diskussion drehte sich um Macht, Verantwortung und Infrastruktur: Europa muss definieren, welche Voraussetzungen für einen souveränen Umgang mit KI notwendig sind. Kurzfristig mag KI überbewertet erscheinen, langfristig wird ihr Potenzial meist unterschätzt – ähnlich wie einst beim Smartphone. 

Technologische Umbrüche geschehen oft unbemerkt im Hintergrund. Umso wichtiger ist es, frühzeitig über Energiebedarf, Datenqualität, Ethik, Interoperabilität und Vertrauen in Software zu sprechen. 

Besonders hervorgehoben wurde die Datenqualität: Sie entscheidet über die Verlässlichkeit von KI-Ergebnissen. Gleichzeitig verändert KI die Qualitätssicherung selbst. Menschliche Vernetzung und strategische Zieldefinitionen sind daher entscheidend, um KI sinnvoll und verantwortungsvoll einzusetzen. 

Session 7 – OGD und KI von Michael Rederer 

Diese Session befasste sich mit der Rolle von wien.gv.at in Verbindung mit Open Government Data (OGD) und KI-gestützter Informationsvermittlung. Ein Schwerpunkt lag auf der Auffindbarkeit von Daten. Trotz großer Datendichte werden viele Inhalte eher über Google als über data.gv.at gefunden. Der Relaunch sollte Verbesserungen bringen, doch die Verbindung zwischen thematischen Inhalten auf https://www.wien.gv.at/  und Rohdaten auf https://www.data.gv.at/ bleibt erklärungsbedürftig. 

Im weiteren Verlauf wurden Qualität und Aktualität der Daten diskutiert. Kuratierte Datensätze wären hilfreich, sind aber im OGD-Konzept nicht vorgesehen. Gleichzeitig wurde betont, dass auch ältere Daten wertvoll sind, sofern sie in einheitlichen Formaten vorliegen. Zur besseren Nachvollziehbarkeit wünschten sich die Teilnehmenden mehr Transparenz über Aktualisierungen, etwa durch Changelogs oder klare Update-Hinweise. 

Ein weiterer Themenblock betraf die Informationssicherheit. Wien begegnet IT-Angriffen und Falschinformationen mit Schulungen, Sensibilisierung und geprüften Quellen; gv.at-Domains fungieren dabei als sichtbares Gütesiegel. Im Kontext von KI zeigte sich, dass ChatGPT im Berufsalltag verbreitet ist, während eine europäische Alternative derzeit fehlt. Strukturiert aufbereitete Daten der Stadt könnten jedoch verstärkt für KI-Anwendungen nutzbar gemacht werden. 

Die Diskussion weitete sich anschließend auf Medienkompetenz aus. Verantwortung für Informationskompetenz liegt nicht allein bei Einzelnen; auch Institutionen müssen Rahmenbedingungen schaffen, die kritisches Denken und Datenverständnis fördern. Zudem braucht es mehr Menschen, die Fragestellungen entwickeln, die sich mithilfe von Daten beantworten lassen. 

Abschließend wurden Mehrsprachigkeit und digitale Zugänglichkeit angesprochen. Das englische Angebot ist ausgebaut, während Inhalte in weiteren Sprachen wie Bosnisch, Türkisch oder Serbisch noch rar sind; die MA 17 leistet hier wichtige Arbeit. Bei den digitalen Services wurde der WienBot genannt, der derzeit nicht direkt eingebunden ist, aber zahlreiche Bürger*innenfragen beantwortet. Redaktionelle Inhalte gelten als qualitativ hochwertig, sind jedoch aufgrund des Aufwands schwer skalierbar. 

Session 8 – Knowledge Gap und KI von Karl-Heinz Löser 

Im Zentrum stand die Frage, welches Wissen über KI die Gesellschaft tatsächlich braucht. Nicht alle müssen technische Details verstehen – entscheidend ist die Fähigkeit, Technologie kritisch zu hinterfragen. Wer KI aktiv nutzt, sollte jedoch Grundkenntnisse besitzen, insbesondere bei sensiblen oder komplexen Anwendungen. 

Diskutiert wurden Interessen hinter KI-Systemen, meist von privatwirtschaftlichen Unternehmen geprägt. Themen wie Energieverbrauch, Preismodelle, Datenverfügbarkeit und Vertrauen wurden vertieft. Klarheit über Begriffe wie Algorithmus oder KI wurde als wichtig erachtet. 

Zur Förderung von Wissen wurden Weiterbildungsangebote für alle Altersgruppen vorgeschlagen – praxisnah, mit Beispielen, die Stärken und Schwächen von KI verdeutlichen. Auch Vergleiche zwischen Suchmaschinen und KI-Anwendungen können helfen, Unterschiede verständlich zu machen. 

Besonders betont wurden Quellenkompetenz, Datenschutz und zielgruppenspezifische Ansätze, etwa für Migrant*innen oder Frauen und Mädchen. Ziel ist es, KI sicher, nachvollziehbar und verantwortungsvoll erlebbar zu machen – für alle gesellschaftlichen Gruppen. 

Session 9 – Digitale Gemeingüter von Philip Birkner 

Die Session thematisierte den Souveränitätsverlust Europas durch die Dominanz globaler IT-Konzerne („Hyperscaler“) und die daraus resultierende Abhängigkeit. Vor diesem Hintergrund wurde diskutiert, warum europäische Alternativen trotz hoher Qualität oft wenig sichtbar oder genutzt sind. Als Ursachen wurden unter anderem die starke Marktfragmentierung mit unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ein im Vergleich schwächerer Kapitalmarkt und kulturelle Unterschiede im unternehmerischen Mindset genannt. 

Ein zentrales Problem stellt zudem die Ausschreibungspraxis im öffentlichen Sektor dar, die bestehende Monopole häufig verfestigt. Als mögliche Gegenmaßnahmen kamen nationale Strategien zum „Ausstieg aus Microsoft“ in Betracht, ebenso wie gezielte Förderprogramme, etwa durch die NLnet Foundation oder den Sovereign Tech Fund. Diskutiert wurde auch eine kritischere Auseinandersetzung mit der Rolle großer Anbieter bei internationalen Institutionen. 

Übergeordnetes Ziel ist es, mehr Offenheit, Dezentralität und digitale Souveränität zu erreichen. Der notwendige Wandel soll im Kleinen beginnen und Schritt für Schritt die Rahmenbedingungen schaffen, damit europäische Alternativen sichtbarer werden und sich nachhaltig etablieren können. 

Session 10 – EPU und KI von Herrn Lippitsch 

Auch Ein-Personen-Unternehmen (EPUs) können KI-Services entwickeln und anbieten – jedoch mit anderen Rahmenbedingungen als Großunternehmen. Während große Organisationen komplexe IT-Strukturen, Rechtsabteilungen und Notfallmanagement benötigen, profitieren EPUs von flexiblen, skalierbaren Lösungen. 

Für EPUs mit wenig IT-Erfahrung eignen sich Cloud-Dienste. Wichtig sind Kaufprodukte mit gesicherter Datenverarbeitung sowie grundlegende Prinzipien wie Datensparsamkeit, Datenschutz und regelmäßige Backups. Kenntnisse über rechtliche Rahmenbedingungen – insbesondere den EU AI Act – sind hilfreich. 

Zur eigenen Nutzung bieten sich RAG-Systeme (Retrieval-Augmented Generation) an, um KI mit eigenen Daten zu verknüpfen. Doch nicht jede Anwendung bringt den gewünschten Mehrwert – KI ist nicht immer die beste Lösung. Sie kann aber als Assistentin dienen, um Bedürfnisse zu analysieren und passende Tools zu finden. 

Ein EPU sollte sich auf seine Kernleistungen konzentrieren und KI gezielt unterstützend einsetzen – nicht, um eigenständig komplexe Automatisierungssysteme zu entwickeln. 

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