Thomas Schrefl, Leiter des Ende 2020 eröffneten Christian Doppler-Labors für Magnetdesign, über die Vorteile dieser längerfristigen Forschungskooperation, Wahlfreiheit beim Studieren und übermenschliche Rechenkapazitäten.

Von Astrid Kuffner

Computerphysiker Thomas Schrefl, Leiter des Ende 2020 eröffneten Christian Doppler-Labors für Magnetdesign durch physikalisch fundiertes maschinelles Lernen, blickt auf zwanzig Jahre (internationale) Forschungsarbeit zurück. Derzeit steht er dem Zentrum für Modellierung und Simulation am Department für Integrierte Sensorsysteme der Donau-Universität Krems vor. Was ändert sich für einen erfahrenen Fachmann wie ihn durch das CD-Labor (noch), in dem die Donau-Universität Krems mit der Toyota Motor Corporation forscht? Entscheidendes, findet Thomas Schrefl und skizziert wie folgt: „Forschungsprojekte dauern zumeist ein bis drei Jahre. Das Ergebnis und der Weg zur Anwendung sind meist weitgehend vorgezeichnet. Mit dem Horizont und dem Commitment auf sieben Jahre können wir mehr explorieren und neu entwickeln.“ Für die Umstellung auf klima- und ressourcenschonende Energieerzeugung sowie Verkehr- und Transportwesen sind leistungsfähige Magnete ein wichtiger Baustein. Sie kommen in Generatoren und Elektromotoren von der Windkraftanlage bis zum Hybrid-Fahrzeug zum Einsatz. Um sie herzustellen, braucht es die Metalle Seltener Erden, einer Gruppe von Elementen, die ihre Knappheit im Namen tragen.

Ein hoher Bedarf steht also extrem begrenzten Ressourcen gegenüber. Wie kann nun maschinelles Lernen bei der Entwicklung magnetischer Materialien unterstützen? Im CD-Labor sollen durch Algorithmen auf Computerclustern „übermenschlich“ viele chemische Zusammensetzungen und mögliche Anordnungen von Materialien in Magneten simuliert und optimiert werden. Thomas Schrefl vergleicht den möglichen Fortschritt mit jenem bei den Spielen Schach und Go: „Künstliche Intelligenz brachte hier neue Zugfolgen hervor, die sich Menschen bis dahin nicht vorstellen konnten. Meine Hoffnung ist eine ähnliche: Dass durch KI in der Materialentwicklung Richtungen angestoßen werden, die so bisher nicht denkbar waren, weil am Rechner einfach viel mehr Kombinationen ausprobiert werden können.“

Nicht nur „Big Data“

Entscheidend für das Lernergebnis ist immer der Input. Thomas Schrefl hebt neben dem Buzzword „Big Data“ auch die „Data Fusion“ hervor. Am Department wurden in den vergangenen Jahren bereits Datensätze zu Magnetwerkstoffen errechnet und Software generiert. Die errechneten Datensätze müssen jedoch mit experimentellen Daten kombiniert und abgeglichen werden. Sonst besteht die Gefahr von systemischen Fehlern. Mit seinem Team will sich Thomas Schrefl entlang der Größenachse bewegen: von der Anordnung der Atome in den einzelnen Elementen zur chemischen Zusammensetzung eines Magnetkorns bis zu Ensembles von Magnetkörnern und der Anordnung von Magneten im Motor – jede Stufe ist entscheidend für die Eigenschaften des Endprodukts. Das Ergebnis soll eine Reihe möglicher Materialien mit unterschiedlichem Leistungsprofil und unterschiedlichen Kosten sein, aus denen für Anwendungen gezielt ausgewählt werden kann.

„Meine Hoffnung: Anstoßen neuer Richtungen in der Materialentwicklung durch Künstliche Intelligenz.“

Thomas Schrefl

Langfristiger Beziehungsaufbau

Über das CD-Labor ergibt sich nun ein Zugang zum Forschungsnetzwerk des japanischen Autoherstellers, der in zehn Jahren Zusammenarbeit aufgebaut wurde. Die konkrete Planung hatte rund zwei Jahre Vorlauf. Bestehende Kontakte und Vertrauen waren umso wichtiger, als 2020 persönliche Treffen in Krems oder Tokyo durch Corona verunmöglicht wurden. „Online-Meetings sind sehr effektiv, aber das Informelle und das Rundherum-Denken bleiben dabei auf der Strecke“, meint Thomas Schrefl. Er weiß, wovon er spricht, hat ihn doch – nach Forschungsaufenthalten in Stuttgart (DE), Almaden/San José (USA) und Sheffield (UK) – das informelle Sinnieren über Synergien mit Hubert Brückl und Martin Brandl 2014 an die Donau-Universität Krems geführt.

Am Anfang der Karriere stand für den Computerphysiker, der sich 1999 an der TU Wien habilitierte, das Studium „Technische Physik“: „Ich mochte die Wahlfreiheit. Man konnte damals abgesehen von Grundfächern den Studienplan nach eigenem Interesse gestalten. Ich habe zudem ein Informatikstudium auf Sparflamme betrieben, um mir gezielt Dinge anzueignen. Heute würde ich dort wohl als Studienabbrecher geführt“, erklärt er lachend. Zu seiner Forschung motiviert ihn neben Neugierde und Spieltrieb auch, „dass sie sofort angewendet werden kann. Es ist ein sehr kleiner Beitrag, den ich leisten kann, für große Herausforderungen wie den Klimawandel.“

Mit seiner Rückkehr nach Niederösterreich schließt sich ein Kreis. Aufgewachsen ist Thomas Schrefl nämlich in Herzogenburg, wo er jetzt wieder wohnt. In Krems besuchte er das Gymnasium. Wenn er nicht forscht, geht er zum Ausgleich wandern oder Rad fahren. Und er engagiert sich im Organisationsteam der Kindersommerspiele Herzogenburg, bei denen sich hoffentlich bald wieder Kinder versammeln, um ihrer Kreativität und Experimentierfreude freien Lauf zu lassen.


Thomas_Schrefl
©
Klaus Ranger

THOMAS SCHREFL
Univ.-Doz. DI Dr. Thomas Schrefl ist Leiter des Zentrums für Modellierung und Simulation am Department für Integrierte Sensorsysteme der Donau-Universität Krems. Schrefl studierte Technische Physik an der TU Wien und forschte an mehreren Universitäten und Forschungsstätten weltweit. Seit 2020 leitet er das Christian Doppler-Labor für Magnetdesign durch physikalisch fundiertes maschinelles Lernen.

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