Im April 2025 reiste ein vierköpfiges Team des Projekts SPUR für vier Tage nach Geel in Belgien. Ziel der Lernreise war es, Einblicke in die dortige Praxis zu gewinnen, Menschen mit psychischen Erkrankungen in Privathaushalten unterzubringen. Diese Form des Wohnens in Gastfamilien ist in Geel seit Jahrhunderten etabliert und wird bis heute praktiziert.
Teilgenommen haben Tania Berger und Christopher Tupy von der Universität für Weiterbildung Krems, Michaela Moser von der Fachhochschule St. Pölten sowie Tim Brunöhler von der Bertha von Suttner Privatuniversität St. Pölten. Vor Ort informierten sie sich über die historische Entwicklung und die organisatorischen Rahmenbedingungen des Familienpflegewesens. Darüber hinaus erhielten sie Einblicke in die Lebensrealitäten von Menschen, die aktuell in dieses System eingebunden sind. Zwei der Mitreisenden verfügten über Grundkenntnisse in Niederländisch, was die Kommunikation mit den lokalen Gesprächspartner_innen erleichterte.
Die Aktivitäten in Geel wurden vom Team des Öffentlichen Psychiatrischen Zentrums (Openbaar Psychiatrisch Zorgcentrum / OPZ) organisiert. Neben einem Einführungsvormittag mit Präsentation, Gesprächsrunde und Führung über den OPZ-Campus wurde im Vorfeld ein Aufruf an Patient_innen gestartet, sich für Gespräche mit dem SPUR-Team zur Verfügung zu stellen. Insgesamt folgten 17 Personen dieser Einladung und trafen das Team entweder einzeln oder zu zweit mit einem Mitglied ihrer Pflegefamilie.
Einblicke in persönliche Wohn- und Lebensgeschichten
Die Begegnungen mit den Menschen fanden manchmal bei ihnen daheim, manchmal im OPZ, in einem Café oder an einem Ort statt, der für sie im Leben von Bedeutung ist (z.B. für Freiwilligenarbeit). Oft dauerten die Gespräche eine Stunde oder länger. Die SPUR-Mitarbeiter_innen erhielten dadurch Erkenntnis aus erster Hand über den Alltag im Zusammenleben, wie die Gäste und Familien zusammenfanden oder was in vorherigen Familien (oder mit vorherigen Gästen) nicht gut funktionierte. Ihnen wurde erzählt, wie das engmaschige Betreuungs- und Notfallsystem des OPZ in der Praxis funktioniert und wer wann bei wem um Unterstützung anfragen kann. Sie lernten Biografien von Menschen aus Geel selbst oder von weit(er) weg kennen und warum sie sich in Geel zuhause und geborgen fühlen. Die Menschen schilderten die von ihnen wahrgenommenen Unterschiede zu anderen und vergleichbar großen Nachbarstädten. Insbesondere die älteren und solche mit einer Geeler Familiengeschichte konnten erzählen, was sie noch über das Familienpflegesystem zu Zeiten ihrer Eltern oder Großeltern wussten. Verzahnt mit den Informationen des OPZ zu dessen sonstigen Angeboten konnte sich das SPUR-Team einen differenzierten Eindruck verschaffen. Hierbei war immer auch das Projektziel mit im Blick, Ideen zurück nach Niederösterreich mitzunehmen, wie ein individuell passenderes und in Gemeinschaften eingebundenes Wohnen gelingen kann.
Ein Besuch des Gasthuismuseums Geel, das die Geschichte der Gastfamilien und des Pilgertums dokumentiert, rundete den Aufenthalt ab.
Die gesammelten Eindrücke und Erkenntnisse fließen aktuell in die Auswertung der Lernreisen im Rahmen des SPUR-Projekts ein. Ziel ist es, Empfehlungen für inklusive Wohnformen im niederösterreichischen Kontext zu entwickeln. Die Erfahrungen aus Geel bieten dabei wertvolle Impulse – insbesondere im Hinblick auf kleinere, gemeinschaftlich organisierte Wohnformen für Menschen mit psychischen Erkrankungen.
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