Das Zentrum für Angewandte Musikforschung gibt den Konzertwalzer Perlen der Liebe op. 39 anlässlich des 150. Todestages von Josef Strauss im Hollitzer Wissenschaftsverlag neu heraus. Die Publikation ist ab Mitte Oktober im gut sortieren Buch- und Onlinehandel als Hardcover und e-Book erhältlich.
Die wissenschaftlich-kritische Neuedition von Josef Strauss‘ op. 39 entstand im Rahmen des Projekts „Josef Strauss 2020“, das dem mittleren der drei berühmten Strauss-Brüder anlässlich seines 150. Todestages im Jahr 2020 mit Unterstützung der Wissenschafts- und Kulturabteilung des Landes Niederösterreich ein umfangreiches Forschungsprojekt widmet. Als Quellen für die Edition dienten Musikalien aus der Sammlung Mailer / Strauss Archiv, die an der Donau-Universität angesiedelt ist und vom Zentrum für Angewandte Musikforschung betreut wird.
Am 26. Oktober 2020 wird das Werk Perlen der Liebe erstmals in der neuen Edition vom Wiener Johann Straus Orchester im Großen Saal des Wiener Musikvereins aufgeführt.
Wer war Josef Strauss?
Josef Strauss wurde am 20. August 1827 als zweiter Sohn von Anna und Johann (Vater) Strauss in Wien geboren. Nach Besuch des Schottengymnasiums studierte er bis 1846 am Wiener Polytechnikum und arbeitete anschließend als Bauzeichner. Selbst als der Vater nach Josefs Teilnahme an den studentischen Aufständen in der Revolution 1848 eine militärische Karriere empfahl, beharrte Josef auf einer technischen. Doch nachdem Johann (Sohn) mittlerweile in die Fußstapfen seines Vaters getreten und 1853 überarbeitet zusammengebrochen war, musste der um zwei Jahre jüngere Josef vorübergehend den Kapellmeister-Posten übernehmen.
Während Johann (Sohn) sich recht bald auf eine Musikerkarriere vorbereitete, rutschte Josef unerwartet und wenig vorbereitet nach Entscheid der Mutter auf diese Bahn. Am 23. Juli 1853 dirigierte er erstmals die Strauss-Kapelle im Lokal „Sperl“ in der Leopoldstadt, damals noch ein Wiener Vorort. Knapp einen Monat später präsentierte er seine erste Walzer-Komposition öffentlich in „Ungers Kasino“ in Hernals, die er ironisch „Die Ersten und Letzten“ nannte, tief dem Gedanken verhaftet, die technische Karriere bald wieder aufzunehmen.
Doch das Familienunternehmen Strauss benutzte Josef vorerst (laut Eigendefinition) hauptsächlich als „Aushilfsmöbel“[1]. Bevormundet vom älteren Bruder und einer vom strengen Management der Mutter emanzipierten Position beraubt, arrangierte sich der mittlere Sohn mit seiner Situation, gab den Wunsch einer Ingenieurs-Karriere auf, nahm Unterricht in Geige und Kontrapunkt und teilte sich ab der Herbstsaison 1855 die Leitung der Strauss-Kapelle mit Johann (Sohn).
Im Frühjahr 1857 schloss Josef Strauss schließlich sein zweijähriges Kompositions-Studium ab. Anfang Juni desselben Jahres heiratete er die Postbeamtentochter Carolina Josepha Pruckmayer (1831–1900). Seinen ersten Konzertwalzer, die Perlen der Liebe, überreichte er seiner Frau als Hochzeitsgeschenk. Wenig später wollte er das Werk der Öffentlichkeit präsentieren und verlangte den Zuhörer*innen mit (damals) kühner Harmonik und noch ungewohnt weit ausgreifenden Melodielinien einiges ab. Josef widmete sich fortan ganz dem musikalischen Familienunternehmen, wenngleich die prestigeträchtigen Aufgabengebiete der Brüder nicht immer egalitär verteilt wurden. 1870 brach er bei einem Konzert in Warschau auf der Bühne zusammen und wurde nach Wien überführt, wo er wenige Tage später verstarb.
Perlen der Liebe, op. 39
Ihr Wellen enteilt bis ich gefunden
die glänzende Perle, ein kostbar Geschmeid
dich schmückt sie als Braut, doch weint wenn entschwunden
liebliche Tränen, Perlen im Leid.[2]
[3. Strophe aus dem Gedicht Ebbe und Fluth, das Josef Strauss als Brautgeschenk an seine Frau Caroline verfasste.]
Mit seinem Opus 39, Perlen der Liebe, ging Josef Strauss neue Wege in der Komposition und schuf seinen ersten Konzertwalzer. Schon im Streit um Gleichberechtigung schrieb er an seinen Bruder: „Meine Liebe zur Musik wird sich nicht in 3/4-Takten ergehen.“[3] Die Perlen der Liebe beweisen das bereits in den ersten 48 Takten. Josef löste den Walzer von seiner Funktion als Tanzstück, hievte ihn aufs Konzertpodium und glich ihn technisch und inhaltlich der Avantgarde der Kunstmusik an. Zur in symphonischer Manier gestalteten Einleitung passt auch die von Josef selbst gewählte Bezeichnung als „Concert-Walzer“.
Josefs älterer Bruder, Johann (Sohn), erkannte das Potential der Gattung. Er nahm die Perlen der Liebe bereits in der Sommersaison 1858 auf die Russlandtournee des Strauss Orchesters in den mondänen Kurort Pawlowsk mit, und legte so den Grundstein für die internationale Erfolgsgeschichte der Gattung „Konzertwalzer“. [4] Später widmete sich Johann Strauss (Sohn) kompositorisch selbst dieser neuen Herangehensweise zur Tanzmusik und weitete sie zu einer Gattung mit jenen Charakteristika aus, für die sie heute berühmt ist: ausladende symphonische Einleitungen und Coda, tonal in Beziehung zueinanderstehende Walzermelodien und Tempo di Rubato, das die Tanzbarkeit deutlich einschränkt.
Die Perlen der Liebe, Concert-Walzer, op. 39, sind mit Piccolo, Flöte, je 2 Oboen, Klarinetten und Fagotten, 4 Hörnern, 2 Trompeten, Posaune und Bombardon, Pauken, Cassa und Triangel, Harfe, sowie den Streicherstimmen Violine 1 und 2, Viola, Violoncello und Kontrabass besetzt. Der 48-taktigen ‚Introduction‘ im langsamen Tempo addiert Josef Strauss fünf thematisch unterschiedliche Abschnitte im ‚Tempo di Valse‘. Er lässt sein Stück in einem hundert-taktigem Finale (Coda) kulminieren, das kurz vor Schluss abrupt abreißt, um einen thematischen Bogen zur langsamen Einleitung zu spannen. Dort endet die Musik so dezent, wie sie begonnen hatte.
(Günter Stummvoll, Oktober 2020)
Weiterführende Literatur
Aigner, Thomas: „Strauß (Strauss), Josef (1827–1870), Komponist, Kapellmeister und Techniker“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 13, Wien: Verlag der ÖAW, 2010.
Brusatti, Otto und Isabella Sommer: Josef Strauss 1827–1870. Delirien und Sphärenklänge, Wien: Holzhausen, 2003.
Dörner, Wolfgang (Hg.): Joseph Lanner. Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis, Wien u.a.: Böhlau, 2012.
Dörner, Wolfgang: Josef Strauss. Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis, Wien u.a.: Böhlau, 2020 [in Druck].
Mailer, Franz: Johann Strauß (Sohn). Leben und Werk in Briefen und Dokumenten, Band 1, Tutzing: Schneider, 1983.
Mailer, Franz: Josef Strauß. Genie wider Willen, Wien: Jugend und Volk, 1977.
Mailer, Franz: Joseph Strauß. Kommentiertes Werkverzeichnis, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang, 2002.
[1] Franz Mailer: Johann Strauß (Sohn). Leben und Werk in Briefen und Dokumenten, Bad. 1, Tutzing: Schneider, 1983, S. 110.
[2] 3. Strophe aus dem Gedicht Ebbe und Fluth, das Josef Strauss als Brautgeschenk an seine Frau Caroline verfasste. Zit. n.: Otto Brusatti und Isabella Sommer: Josef Strauss 1827–1870. Delirien und Sphärenklänge, Wien: Holzhausen, 2003, S. 103.
[3] Mailer: Johann Strauß (Sohn), S. 112.
[4] Einen Walzer nicht nur für das Tanzparkett zu schreiben, war allerdings keine gänzlich neue Erfindung, wenngleich Josef Strauss mit seiner Tondichtung neue Wege einschlug. Doch schon Joseph Lanner schuf etwa mit seinem Werk Die Mozartisten, op. 196, im Jahr 1842 ein Werk, das er „aber nicht dem Tanze, sondern den Verehrern des unsterblichen Mozart“ weihte[4], und damit als Konzertstück gedacht war.