Im Kriegsgefangenenlager Stalag XVII B Krems-Gneixendorf waren in der Zeit von 1939 bis 1945 bis zu 66.000 Gefangene aus vielen unterschiedlichen Nationen untergebracht. Trotz dieser riesigen Dimension ist die Geschichte des Lagers und seiner Internierten noch immer wenig bekannt. Auch bei der Suche nach Informationen finden sich weder vor Ort noch in anderen österreichischen Archiven und Gedächtnisinstitutionen viele Quellen zum Lager – das meiste wurde zu Kriegsende zerstört oder in die Archive der Alliierten überführt. Quellen und Dokumente zum Stalag XVII B befinden sich also meist in internationalen Archiven – aber auch in den Familien der ehemals Internierten, des Lagerpersonals oder der Bewohner_innen umliegender Ortschaften.
Nun übergaben über Vermittlung von Ass.-Prof. Dr. Edith Blaschitz, die im Forschungsprojekt „NS-‚Volksgemeinschaft‘ und Lager im Zentralraum Niederösterreich. Geschichte – Transformation – Erinnerung“ (Institut für jüdische Geschichte Österreichs mit Universität für Weiterbildung Krems) für den Bezirk Krems zuständig ist, Nachkommen aus Belgien und Deutschland Tagebücher, Fotos, ein Fotoalbum und andere Dokumente zum Stalag XVII B den Projektpartnern museumkrems und dem Stadtarchiv Krems.
Kurt De Bruyne aus dem belgischen Hamme/Tielrode ist der Enkel eines Kriegsgefangenen, der 1941 in das Stalag XVII B gebracht wurde und bald danach bei einem Bauern in dem nahegelegenen Dorf Stratzing Zwangsarbeit leisten musste. Da der belgische Gefangene bei der Familie Faltl aus Stratzing jedoch gut behandelt wurde und der Kontakt zwischen den Familien nach Jahrzehnten wieder aufgenommen wurde, erfuhr Kurt De Bruyne vom Forschungsprojekt. Er unterstützt Edith Blaschitz nicht nur mit zahllosen wertvollen Ergebnissen seiner jahrelangen Beschäftigung mit dem Schicksal seines Großvaters, sondern übergab nun auch Sabine Laz, der Sammlungsleiterin des museumkrems, ein Fotoalbum, weitere Fotos und Dokumente, die die Gefangenschaft seines Großvaters und die Verbindungen zur Familie Graf-Faltl aus Stratzing dokumentieren.
Weitere Dokumente aus der Hand von Kurt De Bruyne und anderer am Projekt beteiligter Citizen Scientists werden im demnächst erscheinenden Buch „Nichts zu sehen? Stalag XVII B Krems-Gneixendorf – eine topografische Vermessung“ von Edith Blaschitz und der Fotografin Karin Böhm zu sehen sein.
Christian Graf-Faltl, Maria Graf-Faltl, Kurt De Bruyne, Sabine Laz, Edith Blaschitz, Karin Böhm, von li. nach re.
Auch Erich Broidl, engagierter Volkskundler und Lokalhistoriker, aus Elsarn übergab Edith Blaschitz Tagebücher, welche er von Dagmar Hofmann, der Tochter eines im Stalag XVII B tätigen Dolmetschers, erhalten hatte. In den Tagebüchern notierte der Wiener Hans Irion, der mehrere Sprachen sprach, Tag für Tag seinen Alltag im Lager und liefert damit eine wertvolle Innensicht der zeitgenössischen Geschehnisse. Auch Dagmar Hofmann, die in München wohnt, war es ein Anliegen, dass diese Zeugnisse erhalten bleiben sowie für Forschung und interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Sie reiste deshalb nach Krems und übergab die Tagebücher dem Kulturamtsleiter Dr. Gregor Kremser und dem Stadtarchivar Mag. Daniel Habeler-Maier.
Kulturamtsleiter Gregor Kremser, Dagmar Hofmann, Daniel Haberler-Maier, Edith Blaschitz, von li. nach re.
So kehren nach vielen Jahrzehnten Dokumente und Zeugnisse an den Ort des Geschehens zurück und tragen dazu bei, die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers rekonstruieren zu können.
Weitere Informationen:
Forschungsprojekt: ns-lager-niederösterreich.at