Das Forschungsprojekt CoolBRICK verbessert maßgeblich das Kühlpotenzial der Nachtlüftung durch intelligente Regelstrategien und automatisierte Fensteröffnung. Mit Blick auf immer heißere Sommer für Bauen und Wohnen von großer Bedeutung.

Von Christina Badelt

 

Wir müssen jetzt sehr rasch alle passiven Maßnahmenregister ziehen, um die Erderwärmung zu bremsen.“ Für Markus Winkler von der Universität für Weiterbildung Krems ist der Klimawandel längst eine Klimakrise. Eine, der man schnell und effizient entgegenwirken muss. Auch die Überwärmung von Räumen und Gebäuden stellt dabei eine zentrale Herausforderung dar. Um den Energie- und Ressourcenverbrauch durch Gebäudekühlung nicht anzutreiben, müssen dringend Planungs- und Kühlstrategien weitgehend ohne Einsatz energieintensiver Kühlkonzepte gefunden werden – etwa passive Kühllösungen. Genau das ist ein Ziel des Forschungsprojekts CoolBRICK. Ein großes Konsortium forscht dabei an der Potenzialerhebung von passiven ventilativen Nachtkühlungsstrategien. Im Fokus steht die Entladung von Speichermassen wie Ziegelwänden und Betondecken durch natürliche Nachtlüftung. Damit sollen diese tagsüber wieder für eine Beladung mit solarer Wärmeenergie und inneren Wärmelasten zur Verfügung stehen. Diese Kombination ermöglicht für Wohngebäude und weniger intensiv genutzte Nichtwohngebäude im Regelfall eine ausreichende Wärmeabfuhr nachts, um sommerliche Überwärmung und somit Kühlbedarf weitestgehend zu vermeiden. „Unsere Arbeit legt den Fokus auf die Erhebung empirischer Daten, da es dazu eine kaum valide und umfangreiche Datenlage gibt“, schildert Markus Winkler. Albert Treytl vom Department für integrierte Sensorsysteme ist mit seinem Team vor allem für die IT-Infrastrukturen sowie die neuartige sogenannte Model Predictive Control des Projekts zuständig. „Unsere Modelle bieten das ideale Umfeld, um ventilative Kühlung und deren Automatisierung zu erforschen.“ Auf dem Gelände der Bauakademie Salzburg werden zwei aus Vorprojekten stammende, völlig baugleiche Ziegelsimulationsräume im Sinne einer ressourcenschonenden Nachnutzung weiterverwendet. Diese wurden für die Potenzialerhebung verschiedenster Nachlüftungskonzepte in der ersten Projektphase von CoolBRICK umfassend adaptiert, schildert Markus Winkler: „Wir haben je ein Flachdachfenster nachträglich in die bauteilaktivierte Decke eingesetzt, um beispielsweise auch den Effekt von drei Öffnungsebenen neben einseitiger und Querlüftung untersuchen zu können. Selbstverständlich sind sämtliche Fenster und deren Sonnenschutzsysteme aus der Ferne automatisiert öffen- bzw. aktivierbar. Durch ein umfassendes Monitoring mit weit über 200 Messparametern in und an den Zwillingskuben werden unterschiedliche Regelungsstrategien parallel bei exakt identischem Klima und exakt identischen Rahmenbedingungen an diesen genauestens evaluiert.“ Voraussetzungen für passive Kühlkonzepte sind möglichst geringe spezifische Kühllasten im untersten zweistelligen W/m2-Bereich, Kühlmedien mit ausreichend niedrigem Temperaturniveau im Sommer (< 20 °C) sowie aktivierbare, d. h. für Wärmestrahlung zugängliche Speichermassen für Wärmeaufnahme und gleichzeitig hoher nächtlicher Luftwechsel (ventilative Kühlung) zur Entladung erwärmter Speichermasse untertags. „All diese Rahmenbedingungen sind nach der ersten Projektphase hergestellt worden, um nun Nachtlüftung effizient nutzen und evaluieren zu können.“

Simulationsmodelle

Ein zweiter Schwerpunkt sind parallele, umfangreiche thermodynamische sowie Strömungssimulationen. „Validierte Simulationsmodelle erlauben uns, zukünftig eine Potenzialabschätzung der Kühlleistung derartiger passiver Konzepte bei fiktiv angesetzten unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu geben. Die Ergebnisse sollen nach Projektende sowohl in die Berechnungsgrundlagen von Normen zur Vermeidung der sommerlichen Überwärmung (z. B. ÖNORM B 8110-3) als auch in einen Leitfaden für Planungsschaffende mit einfließen. Zudem wird die Grundlage geschaffen, um der heimischen Ziegelindustrie technische Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die zu Produktinnovationen und mittelfristig zum Erschließen neuer Marktpotenziale führen“, schildert Winkler.

Automatisierung vorantreiben

Ein dritter Schwerpunkt von CoolBRICK ist die Entwicklung automatisierter Steuerungs- und Regelungstechniken für Fenster und Verschattungseinrichtungen mit Hilfe des Monitorings in den Kuben. Untersucht werden hier unterschiedliche Konzepte, etwa klassische uhrzeitbasierte oder sensorbasierte Regelungen. Winkler: „Diese beiden genügen unseren Komfortansprüchen derzeit oftmals nicht, so müssen wir vorausschauend und inklusiv sämtliche Speichermasseneffekte in der Regelung berücksichtigen. Auch der Trägheitseffekt passiver Kühlung wird zu beachten sein. Das Stichwort hierzu ist MPC: Model Predictive Control – Ereignisse und deren Auswirkungen sind modellhaft der Regelung vorab antrainiert. Erst dadurch wird das System entscheidungsfähig, bis wann in der Früh beispielsweise welche Fenster in Übergangszeiten geöffnet bleiben können, damit es Nutzer_innen dieser Gebäude nicht zu kühl wird.“ Blickt man in die Zukunft, so sieht der Experte in diesem Zusammenhang auch die Notwendigkeit, die Sanierungsrate in Österreich deutlich zu erhöhen: „Ungefähr ein Prozent der bestehenden Gebäude werden saniert. Das ist viel zu wenig, es braucht außerdem mehr Sanierung in die Tiefe, um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu bleiben. Dabei geht es um Gesamtkonzepte, die Schritt für Schritt abgearbeitet werden und zum Ziel führen, wirklich effizient für und mit der nächsten Generation saniert zu haben.“


MARKUS WINKLER
DI Markus Winkler ist stv. Zentrumsleiter, Lehrgangsleiter und wissenschaftlicher Projektleiter am Department für Bauen und Umwelt der Universität für Weiterbildung Krems. Der Bauingenieur forscht seit 2012 an Lösungen fur zukunftsfähige Gebäude und vermittelt diese seinen Studierenden in diversen Lehrgängen.


ECKDATEN DES PROJEKTS
Förderung: FFG, Programmlinie Collective Research
Auftraggeber: Forschungsverein Steine-Keramik des Fachverbands der Stein- und keramischen Industrie der Wirtschaftskammer Österreich, Initiative Ziegel (IZ), www.ziegel-technik.at
Wissenschaftliche Partner: Universität für Weiterbildung Krems, Zentrum für Bauklimatik und Gebäudetechnik und Zentrum für verteilte Systeme und Sensornetzwerke | Fachhochschule Salzburg, Forschungsbereich Smart Building und Smart City
Unternehmenspartner:  ZAB – Zukunftsagentur Bau |
Velux Österreich GmbH | Verband Österreichischer Ziegelwerke

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