29.04.2021

Für die Governance von Hochschulen (in Österreich, darüber hinaus aber auch in Europa) hat sich vielfach das New Public Management (NPM) als Ordnungsprinzip durchgesetzt und etabliert. Gleichzeitig beginnt jedoch auch die Erkenntnis um sich zu greifen, dass das nicht der Endpunkt von Governance im Hochschulbereich sein kann. NPM beginnt sich gewissermaßen selbst zu entzaubern. Was aber kommt nach New Public Management, beziehungsweise was sind hier die Alternativen? Vorliegendes Buch lässt sich als ein geradezu meisterliches Werk von Günther R. Burkert benennen, in welchem versucht wird, wiederum eine breitere Gesamtschau zu versuchen und hervor zu bringen, hier also das große Bild mit möglichen Reformansätzen vor Augen zu haben: Im Zentrum steht das Hochschulsystem, mit einem besonderen Fokus aber auf die Universitäten gerichtet. Wie etwa der Autor gleich eingangs zur Diskussion stellt: „Davon sind nicht nur die Geisteswissenschaften betroffen, sondern der gesamte Bereich der Universitäten: Wissenschaftliche Kreativität geht verloren und Wissenschaftler, die innovative Wege beschreiten wollen, erhalten keine Unterstützung“ (S 20).

 

Burkert beklagt, dass der Homo academicus durch einen Homo oeconomicus schrittweise ersetzt wird (S 30). Kritisch wird gesehen, die Universität primär und eingeschränkt als „Produktionsstätte“ (S 36) im Dienste einer vereinfachten Wissensproduktion zu platzieren. Wie Burkert festhält: „Der wahre Mehrwert der Wissenschaft und damit auch der Universitäten liegt für jede Gesellschaft nicht hauptsächlich in ihrem ökonomisch verwertbaren Output, sondern in ihrer selbstbewussten und befreien- den Art des Denkens“ (S 41). Schieflagen einer Forschungsförderung zugunsten der angewandten Forschung bedürfen deshalb einer Korrektur, welche wiederum die Grundlagenforschung entsprechend würdigt. Dafür nutzt Burkert auch die kritisierende Metapher einer „Tyrannei der Dringlichkeit“ (S 45). Burkert beklagt, dass „Widerständlerisches“, das für die Wissenschaften eigentlich notwendig ist, in „prekären Anstellungsverhältnissen“ von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern nur äußerst schwierig möglich ist: „Mainstreamforschung muss man können und machen, der Fortschritt liegt allerdings in neuen Ansätzen und Methoden“ (S 51). Auf gelungen pointierte Weise kann Burkert damit natürlich sagend in den Raum stellen: „Auch wenn diese Figur des ‚Störenfriedes‘ eine Idealvorstellung ist – jeder Fakultät wären zumindest einige davon zu wünschen“ (S 62).

 

Gleichzeitig eröffnet Burkert Perspektiven, was Wege sein können oder könnten, Richtungen, entlang derer sich die Universitäten weiter entwickeln. Interdisziplinarität ist dabei eine Möglichkeit: „Zu befürworten wäre auch eine Grundsatzdiskussion über die Notwendigkeit von Disziplinen. Sie reichen schon lange nicht mehr aus, um die heutige Realität von Wissenschaft und Forschung abzubilden“ (S 69). Ferner bringt Burkert auch den neuen und vielversprechenden Ansatz der Commons ein, und definiert diese wie folgt: „Commons – ‚Wissensallmende‘ – bezeichnet dabei das gemeinsame Gut der modernen Informationsgesellschaft. Aufgrund ihres Prinzips der Selbstorganisation kämen Commons dem universitären Prinzip der autonomen Entscheidungen sehr nahe“ (S 71). Es entstünden damit Formen von „Universitäten als vernetzter Individualismus“ (S 83), und das während einer möglichen Transition hin zu einer mehr „integrativen und partizipativen Institution“ (S 95).

 

Als Résumé lässt sich der Schluss ziehen, dass sich vorliegende Monographie von Günther R. Burkert als ein sehr gelungener Traktat liest, der die kritische Diagnose dafür nutzt, um auf neue Möglichkeiten hinzuweisen. Als Positionen des Autors kann damit thesenartig behauptet werden (im Sinne einer Zusammenfassung des Buches): (1) New Public Management hat sich entzaubert. (2) Ein Kerngedanke der Commons ist: Je mehr Menschen Wissen nutzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus Wissen auch Innovationen entwickeln. Das frühe Einbinden von Gesellschaft in Ideen zu Forschung und Lehre an Universitäten bedeutet, dass sich Innovationen auch breiter aufstellen lassen, es hier mehr gesellschaftliche Wirkweisen gibt. „Kombinatorische Innovation“ und „kombinatorische Intelligenz“ gewinnen an Bedeutung. (3) Es soll überlegt werden, dass jede Universität ihr eigenes internes Governance-System designen und implementieren kann, ausgelegt auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der jeweils konkreten Universität. (4) Unterschiedliche Governance-Ansätze lassen sich (zumindest in Teilen) möglicherweise produktiv miteinander kombinieren, auch mit dem Ziel, Kreativität und Innovation zu fördern. Network-Governance bezieht sich auf relevante Prozesse. (5) Die voranschreitende Digitalisierung eröffnet zusätzliche Möglichkeiten und Perspektiven für Vernetzung und Vernetzungen.

Es ist also der Beginn einer spannenden Reise in neue Hochschullandschaften.

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