16.05.2023

Bei seiner Antrittsvorlesung am 4. Mai 2023 widmete sich Peter Strasser den unterschiedlichen Perspektiven auf das kulturelle Erbe der Menschheit und wie dieses geschützt werden kann. Mit 1. August 2022 wurde er als Universitätsprofessor nach § 99 UG 2002 auf fünf Jahre befristet an die Universität für Weiterbildung Krems berufen, wo er das Zentrum für Kulturgüterschutz leitet.

Mag. Friedrich Faulhammer, Rektor der Universität für Weiterbildung Krems, verwies in seiner Begrüßung auf den wichtigen Beitrag der neuen Professur für Welterbe und Kulturgüterschutz zum gesamtuniversitären Forschungsschwerpunkt kulturelles Erbe. In seiner Vorstellung von Univ.-Prof. Mag. Mag. Dr. Dr. Peter Strasser, LL.M. stellte Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Oppl, MBA, Dekan der Fakultät für Bildung, Kunst und Architektur, die einzigartige Multiperspektivität der neuen Professur heraus und wie sie die Vielfalt an Perspektiven der Fakultät repräsentiert.

Der Wert des gemeinsamen Erbes

In seinem historischen Abriss der Entwicklung illustrierte Kulturgüterschutzexperte Peter Strasser, wie die Idee des „gemeinsamen Erbes“ zwischen einer Perspektive mit Blick auf die gesamte Menschheit und einer nationalen Erzählung oszillierte. Die Idee eines gemeinsamen Erbes der Menschheit geht zurück auf Quatremere de Quincy im Jahr 1796: „Die Künste und die Wissenschaften gehören jetzt ganz Europa und sind von jetzt an nicht mehr das Eigentum einer einzelnen Nation“. Dieser breite Ansatz diente auch als eine Art Rechtfertigung von Napoleons Beute­feldzug in Europa, mit dem unter anderem das Musée Napoléon, der spätere Louvre, ausgestattet werden sollte. Die rechtliche Absicherung der Übertragung des Kultur­guts an den Louvre erfolgte mit den Friedensverträgen, beispielsweise im Vertrag von Schönbrunn 1805. Mit dem 2. Pariser Frieden 1815 wurde das Ergebnis des Wiener Kongresses umgesetzt: Eine Restitution der nach Frankreich gebrachten Kulturgüter wurde angeordnet, die allerdings bis in die Gegenwart noch nicht ganz abgeschlossen ist. Es gab auch einen demokratischen Nebeneffekt: Werke aus kirchlichen oder aristokratischen Sammlungen wanderten in Museen, wodurch sich in der Bevölkerung ein Gefühl der Wertschätzung für diese Werke entwickelte.

Kulturgüter als Streitfall

Die Idee, dass es in der Habsburger Monarchie besonders schützenswerte Objekte gäbe, führte in Österreich 1856 zur Einrichtung der „K&K Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale“, die in der gesamten Monarchie tätig war. Ihre Arbeitsweise war einerseits durch eine räumliche Offenheit – die unterschiedlichen Kulturräume des Vielvölkerstaates –, andererseits noch durch einen eng gefassten Denkmalbegriff mit Fokus auf Relikte der Antike und des Mittelalters geprägt. Der Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye, vom 10. September 1919, besiegelte das Ende der „Central-Commission“. Überdies wurden in seinen Artikeln 191 bis 196 nicht nur Rückgabefragen von Kulturgütern auf Grund der Staatensukzession im Zuge der Auflösung des Vielvölkerstaates geregelt, sondern auch die Aufteilung und Rückgabe der im Krieg entwendeten Objekte bestimmt. Im Februar 1919 schuf die italienische Waffenstillstandskommission bereits Fakten, in dem sie in Wiener Museen wie dem Kunsthistorischen Museum, der Akademie der Bildenden Künste und der Hofbibliothek, aus der Österreichischen Nationalbibliothek Kunstwerke vorläufig ohne Rechtsgrundlage beschlagnahmte. Der Staatsvertrag selbst enthielt nur eine Liste der Objekte, legte aber nicht die Übergabe fest. Eine internationale Juristenkommission entschied oftmals zugunsten von Österreich mit Hinblick auf den Zusammenhalt der Sammlungskonzeption, Archive und Sammlungen sollten nicht auseinandergerissen werden.

Gemeinsames Erbe vs. nationale Erzählung

Gegen Ende des 1. Weltkriegs wurden Kunstwerke nicht als Teile eines großen europäischen Erbes gesehen. Nach dem Krieg verarmten Adel und Klöster, weshalb die ihren Besitz oftmals auch ans Ausland verkaufen mussten. Als Notfallmaßnahme beschloss Österreich das Ausfuhrverbotsgesetz 1918, um den Abfluss von Kulturgütern verhindern. Somit war dies das erste Gesetz in Österreich im Kontext eines Kulturerbeschutzes. Ein Denkmalschutzgesetz wurde erst 1923 verabschiedet, obwohl rund 40 Entwürfe für das Gesetz damals seit rund 20 Jahren in den Schubladen des vormaligen „k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht“ lagerten. Im „Das Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ von Georg Dehio zeigt sich dieser internationale Trend. Nicht mehr ein gemeinsames Erbe der Menschheit stand im Vordergrund, sondern das eigene, nationale Erbe. Der 1. Weltkrieg verdeutlichte mit der Zerstörung der Kathedrale von Reims aber auch, dass das damalige recht­liche Instrumentarium – die Haager Landkriegsordnung 1907 – nicht effektiv war.

Welterbeliste als Spiegel der Verhältnisse

Wie kommt eine Stätte auf die Welterbeliste? Der Staat des künftigen Erbes reicht einen Antrag ein, der eine formelle Prüfung durch die UNESCO durchläuft. Diese leitet ihr Dossier an den International Council on Monuments and Sites (ICOMOS) bzw. die International Union for Conservation of Nature (IUCN) zur fachlichen Prüfung weiter. Anschließend folgt die Entscheidung des Welterbe-Komitees. Aus diesem Prozess wird offensichtlich, dass hier nationale Prioritäten und Initiativen im Vordergrund stehen. Das derzeit anerkannte Welterbe besteht zu rund drei Vierteln aus Kulturerbestätten, knapp ein Viertel ist Naturerbe. Die geografische Verteilung zeigt, dass knapp die Hälfte (47 Prozent) der Welterbestätten in Europa und Nord­amerika liegen, knapp ein Viertel (24 Prozent) in Asien. Kurz gesagt handelt es sich beim typischen Welterbe um ein europäisch-christliches Erbe in Stein und Ziegel.

War bis jetzt ausschließlich von kulturell wertvollem Erbe der Menschheit die Rede, kennt das internationale Recht drei weitere Bereiche, die als gemeinsames Erbe der Menschheit angesehen werden: den Meeresboden (UN-Meeresbodenprinzipien­erklärung 1970, Ziffer 1), die Hohe See (UN-Seerechtsübereinkommen 1982, Art. 136) sowie den Weltraum (Art. 1, Abs. 1 Weltraumvertrag 1967) und den Mond (Art. 1, Abs. 1 Mondvertrag 1979). Das „Welterbe-Paradoxon“ zeichnet sich dahingehend aus, dass ausgerechnet diese Bereiche – von der Weltgemeinschaft als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ bezeichnet – mangels eines zuständigen Staates nicht Welterbe werden können.

Über die Person

Peter Strasser promovierte 1994 in Rechtswissenschaften und 2017 in Europäischer Ethnologie an der Universität Innsbruck. An der University of Nottingham absolvierte Strasser 1995 seinen LL.M. in Public International Law. Nach mehrjähriger Tätigkeit bei der UNESCO in Paris im Bereich des Welterbes und internationaler Kultur-Abkommen war er unter anderem Konsulent für Welterbe-Angelegenheiten für das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und kulturelle Angelegenheiten in Wien und Berater der OSZE für Menschenrechte und Kultur im Kulturministerium des Kosovo in Pristina. 2012 wechselte er an das Department für Bauen und Umwelt der Universität für Weiterbildung Krems, wo er das Zentrum für Kulturgüterschutz leitet. Er war er unter anderem in der Arbeitsgruppe „UNESCO Welterbe“ der Alpenkonvention, in der Steuerungsgruppe „Welterbe-Einreichung Donaulimes“ als Vertreter der Universität für Weiterbildung Krems oder in der Arbeitsgruppe „Europäische Heilbäder als Welterbe“ als österreichischer Vertreter erfolgreich aktiv. Im Juli 2021 wurden sowohl die Heilbäder Europas als auch der Donaulimes in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.

Zum Anfang der Seite