Die Digitalisierung überschwemmt uns im öffentlichen wie im privaten Bereich mit einer Flut an Informationen. Das eröffnet Chancen, aber auch Risiken. Vor allem Fragen der Sicherheit und Wahrheit müssen völlig neu betrachtet werden. Und wenn es nach der Sicherheitsforscherin Bettina Pospisil geht, mit Transparenz und möglichst viel Bürger_innenbeteiligung.
Von Ilse Königstetter
Ursprünglich war es ihr Plan, nach der Matura an der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Tulln umgehend ins Berufsleben einzusteigen. Als dann an der Schule die Vielfalt an Studienrichtungen vorgestellt wurden, entdeckte Bettina Pospisil ihr Interesse für die Soziologie. „Daran hat mich besonders gereizt, dass sich diese Wissenschaft mit den komplexen Strukturen der Gesellschaft beschäftigt, die vom großen Ganzen ausgehen“, erinnert sie sich an die Initialzündung für den Entschluss zum Studium. Dass dabei theoretische Annahmen auch mit vielen verschiedenen empirischen Methoden überprüft, bestätigt oder ergänzt werden können, kam ihrer Neugier auf innovative Sichtweisen ebenfalls sehr entgegen. Im Zuge ihrer Bachelorarbeit am Institut für Soziologie an der Universität Wien befasste sie sich vorrangig mit dem Themenbereich Mediensoziologie mit Schwerpunkt Social Media. Bettina Pospisil: „Während meines Masterstudiums habe ich mich ebenfalls in Richtung Medien konzentriert, mich intensiv mit Methoden auseinandergesetzt und auch sehr für Alltagssoziologie interessiert“. 2017 erwarb sie ihren Master of Arts mit einer Arbeit im Bereich Visuelle Soziologie. Parallel zu ihrem Studium sammelte Bettina Pospisil auch jede Menge berufliche Erfahrungen. So arbeitete sie von 2011 bis 2014 als Journalistin, danach an der Uni Klagenfurt und der Wirtschaftsuniversität Wien. Seit 2016 ist die Soziologin als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Sicherheitsforschung tätig.
Cybercrime im Vormarsch
Das Department für Sicherheitsforschung widmet sich den dynamischen Entwicklungen der globalisierten Welt sowie der rasanten technologischen Transformation. Es befasst sich mit den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Strukturänderungen der Digitalisierung sowie den sich daraus ergebenden Herausforderungen im Sicherheitsbereich, wie etwa Kritische Infrastrukturen, Radikalisierung, Fake News oder Cyber-Crime. Durchschnittlichen User_innen ist in aller Regel die Anzahl an immer raffinierter werdenden Cyberangriffen im öffentlichen, aber auch im privaten Sektor nicht bewusst. Von verschlüsselten Systemen durch Ransomware über Phishing-Mails, die sensible Daten abgreifen, bis hin zu Angriffen auf Kommunen und Krankenhäuser mit Millionenverlusten: Cyberkriminelle haben es häufig auf veraltete Systeme und den Menschen als Einfallstor abgesehen.
Heimautomation im Forschungsfokus
Eines der bereits abgeschlossenen Forschungsprojekte zum Thema Sicherheit, das Bettina Pospisil gemeinsam mit einem sozialwissenschaftlichen Team realisieren konnte, befasste sich mit angriffsresilienten IoT-basierte- Sensoren in der Heimautomation. IoT steht für Internet of Things. „Wir wollten herausfinden, welche Heimautomationssysteme in Österreich genutzt werden und welches Potenzial für kriminelle Aktivitäten sie bereits jetzt haben“. In privaten Haushalten werden sie vor allem zur Einsparung von Energie und zur Erhöhung von Komfort und Sicherheit eingesetzt. Heimautomationssysteme können aber auch dafür benutzt werden, um die Bewohner auszukundschaften und kriminelle Handlungen wie Einbrüche, Identitätsdiebstahl, Stalking oder Erpressung durchzuführen. „Als Sozialwissenschaftler_innen haben wir mit Hilfe einer repräsentativen Umfrage analysiert, wie die österreichische Bevölkerung in Bezug auf Heimautomationssysteme mit ihren Daten umgeht, welches Sicherheitsbewusstsein sie an den Tag legt und welche Erfahrungen sie bereits mit Cyberkriminalität gemacht hat“, beschreibt Bettina Pospisil das Setting. Hier geeignete Schutzmaßnahmen zu entwickeln ist umso wichtiger, als die IoT basierte Heimautomation eine der bedeutendsten (zukünftigen) Felder der Digitalisierung darstellt, die direkt die Privatsphäre von vielen Menschen berühren.
Junge Citizen Scientists gegen Desinformation
Vor nicht ganz einem Jahr wurde ein Forschungsprojekt gestartet, das Bettina Pospisil besonders am Herzen liegt. „Da sich das Alltagsleben junger Erwachsener durch die ständige Konfrontation mit Medieninhalten und Informationen stark verändert hat, müssen sie selbst ein Stück weit zu Forscher_innen werden, um (Des-)Informationen kritisch zu analysieren“, ist die Soziologin überzeugt. Deshalb zielt das Projekt „Junge Citizen Scientists gegen Desinformation" darauf ab, das Thema Desinformation aus der Perspektive dieser jungen Erwachsenen zu erforschen, indem sie durch einen Citizen Science-Ansatz in das Forschungsprojekt eingebunden werden. „Der Schwerpunkt des Projekts liegt nicht unmittelbar auf dem Wahrheitsgehalt der vermittelten Inhalte, sondern auf den Bewältigungsstrategien und den Prozessen der Bewertung von (Des)-Informationen“, erklärt Bettina Pospisil. Um dieses Ziel in die Praxis umzusetzen, arbeiten die Universität für Weiterbildung Krems und die FH St. Pölten mit Citizen Scientists aus drei Klassen von höheren Schulen Tulln, St. Pölten und Krems zusammen. Die Citizen Scientists sind eingeladen, das Phänomen „Desinformation" aus ihrer Sicht zu definieren und den Forschungsschwerpunkt darauf abzustimmen. Darüber hinaus werden sie Daten über (Des-)Informationen, die für sie in ihrem Alltag relevant sind, sammeln und auswerten. Alle erhobenen Daten werden gemeinsam mit den Citizen Scientists im Unterricht diskutiert, analysiert und interpretiert. Schließlich will das Forschungsprojekt ein auf diesen gemeinsam erarbeiteten Einblicken basierendes Konzept für eine zukünftige Infrastruktur beisteuern. Diese soll Desinformation entgegenwirken. Ziel ist, die Bedürfnisse und Wünsche junger Erwachsener widerzuspiegeln.
Neben ihrer umfangreichen Forschungstätigkeit arbeitet Bettina Pospisil parallel an ihrer Dissertation. Diese befasst sich mit Sprachassistenzsystemen und damit, wie diese Art von Technologien unsere alltäglichen Wahrnehmungen und Handlungen in Bezug auf Beziehungen, Zeit und Werte beeinflussen. Immer wieder neue Forschungsfragen zu stellen, innovative Methoden auszuprobieren und dadurch Zusammenhänge zu verstehen, ist ihre erklärte Leidenschaft. Dass ihr an ihrem Department breiter Raum für ihre vielfältigen Forschungsinteressen zur Verfügung steht, weiß die Wissenschaftlerin besonders zu schätzen.
BETTINA POSPISIL
Bettina Pospisil, BA, MA studierte Soziologie an der Universität Wien. Von 2011 bis 2014 arbeitete sie parallel zum Studium als Journalistin und war danach als wissenschaftliche Projektmitarbeiterin im CERT Komm/KIRAS Projekt an der Universität für Weiterbildung Krems tätig, 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alpe Adria Universität Klagenfurt und bis 2016 als Research Assistant an der Wirtschaftsuniversität Wien. Bis heute ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität für Weiterbildung Krems. Aktuell arbeitet sie an ihrer Dissertation.
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