Der Politikwissenschafter und IT-Experte Walter Seböck leitet das Department für Sicherheitsforschung der Universität für Weiterbildung Krems. Ihn treibt die Frage um, wie ein ethischer Umgang mit neuen Technologien gelingen kann.

Interview: David Rennert

 

Herr Seböck, was bedeutet Sicherheit für Sie?

Walter Seböck: Sicherheit ist ein vielschichtiger Begriff. Für mich persönlich kommt Sicherheit nicht ohne der Frage nach Freiheit aus: Wie viel Freiheit kostet Sicherheit – und wie viel Sicherheit verlangt unsere Freiheit? Die Balance ist entscheidend. Historisch betrachtet handelt es sich dabei um ein mittelalterliches Herrschaftsversprechen der Fürsten, die sagten: Gib mir deine Freiheit, und ich garantiere dir Sicherheit. Doch das ist in dieser Form heute genauso wenig einlösbar wie damals. Wir müssen als Gesellschaft immer wieder neu ausverhandeln, wie viel Kontrolle wir im Namen der Sicherheit akzeptieren wollen. Sicherheit ist wichtig, aber ohne die Freiheit dazu verliert sich völlig die Würde. Und da geht es nicht nur um den Schutz vor Gefahren, es geht letztlich um die Frage: Wer wollen wir als Gesellschaft sein?

 

Wo stehen wir heute in diesem Spannungsfeld?

Seböck: Die Politik tendiert naturgemäß mit der Zunahme technologischer Hilfsmittel dazu, sie einzusetzen und in Bereiche vorzudringen, wo nicht allzu große Gegenwehr zu erwarten ist. Hier wünsche ich mir Augenmaß: Nur weil etwas technisch machbar ist, heißt das nicht, dass es auch umgesetzt werden soll. Wir müssen Technologien so einsetzen, dass sie dem Gemeinwohl dienen. Und da braucht es auch den Mut, Nein zu sagen, wenn Überwachung und Kontrolle überhandnehmen. Gerade hier gilt, dass Macht eine unabhängige Kontrolle benötigt, denn wenn schon überwacht wird, sollte auch sichergestellt werden, wer die Überwachenden kontrolliert.

 

Wird dieses Thema in der Öffentlichkeit ausreichend diskutiert?

Seböck: Die Diskussion findet statt, aber meist in verzerrten Kontexten. Es wird oft nicht mehr differenziert diskutiert, sondern so zugespitzt, bis das Vertrauen in Politik, Medien und Institutionen bröckelt. Wir haben in den vergangenen Jahren eine starke Polarisierung erlebt, auch befeuert durch Desinformationskampagnen. Das zieht sich durch die unterschiedlichsten Themen, ob es nun um die Covid-Pandemie geht, um die Ukraine oder um die Milchpreise. Man kann Teile der Bevölkerung, die unsicher sind und Zweifel haben, an jedem Punkt mit Desinformation abholen und eine Elitendiskussion anstacheln mit dem Tenor: „Die da oben agieren ohnehin immer nur gegen uns kleinen Leute.“ So wird die Polarisierung immer weiter vorangetrieben mit dem Ergebnis, dass viele Menschen Politikerinnen und Politikern überhaupt nicht mehr vertrauen. Damit erscheinen automatisch auch traditionelle Medien unglaubwürdig, während ausgerechnet Social-Media-Kanälen vertraut wird, die keinerlei Qualitätssicherung haben und jede erdenkliche Lüge ungestraft in die Welt schicken.

 

Desinformationsforschung zählt zu den Schwerpunkten des neuen Departments für Sicherheitsforschung der Universität für Weiterbildung Krems. Wie können wir uns als Gesellschaft gegen Fakenews wappnen?

Seböck: Desinformation beinhaltet immer ein Körnchen Wahrheit – auch wenn sie verbogen wird, wenn Teile weggelassen werden. Das ist oft die Eintrittspforte, durch die Menschen abgeholt werden. Es ist unheimlich, wie schnell man auf Social-Media-Plattformen von harmlosen Themen zum krudesten Unsinn oder zu gefährlichen Fakenews gelangt. Das hat viele Folgen, auf gesellschaftlicher Ebene zerstört es den Diskurs. Wir dürfen nie aufhören, miteinander zu reden und Menschen mit ihren berechtigten Sorgen in die Debatte einzubinden, bevor sie völlig falsch abbiegen. Niemand muss mit politischen Entscheidungen einverstanden sein, heftige Debatten kann und muss eine Demokratie aushalten. Aber es braucht den Diskurs, er ist ein Wesenskern von Freiheit und eine Voraussetzung für Demokratie. Dort, wo kein Diskurs mehr stattfinden kann, herrscht zwar vielleicht innere Sicherheit, aber keine Freiheit – da muss man sich nur diverse autoritäre Regime anschauen.

Walter Seböck

„Sicherheit ist wichtig, aber ohne die Freiheit dazu verliert sich völlig die Würde.“

Walter Seböck

Die Herstellung von Desinformation wird durch die rasanten Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz immer ausgefeilter, Stichwort Deepfakes: Videos, Fotos und Audiodateien lassen sich immer leichter fälschen. Wie lässt sich da gegensteuern?

Seböck: Das Thema wird uns noch sehr beschäftigen. Deepfakes lassen sich mit entsprechend hohem Aufwand identifizieren, als das, was sie sind. Das heißt, man kann diesen Fälschungen auf die Schliche kommen, wenn man entsprechende Anstrengungen unternimmt. Technisch ist es lösbar. Viel schwieriger ist das bei Texten – die Unterscheidung zwischen Fakten, Meinung, Fiktion und Lüge ist sehr komplex. Da gibt es kein einfaches Tool, sondern es braucht Medienkompetenz und auch Allgemeinbildung, um Desinformation zu erkennen.

 

Was sind weitere Schwerpunkte des Departments für Sicherheitsforschung der Universität für Weiterbildung Krems?

Seböck: Wir beschäftigen uns mit zentralen Fragestellungen rund um Sicherheit mit einem interdisziplinären Ansatz. In unserer Forschung und Lehre geht es um Cybersecurity und KI-Ethik, um Prävention von Terrorismus bis hin zu Themen wie Brandschutz oder Desinformationsforschung. Ein Fokus liegt auf der Frage: Wie können wir Technologien so gestalten, dass sie unsere Freiheit schützen und nicht gefährden? Wir arbeiten eng mit dem österreichischen Innenministerium und der Direktion für Staatsschutz zusammen, etwa im Bereich Counterterrorism. Wir haben auch Projekte zu autonom fahrenden Fahrzeugen und zu Blockchain-Sicherheit – das wird ab 2026 ein Schwerpunkt bei uns sein. Zusammenfassend würde ich sagen: Es geht uns darum zu verstehen, wo Gefahren liegen, wie man Resilienz aufbauen kann und wie man Technologie so einsetzen kann, dass sie uns hilft und nicht schadet. Das geht immer auch mit ethischen Fragen einher.

 

Wie gehen Sie persönlich mit Bedrohungsszenarien um – sehen Sie als Sicherheitsforscher überall Gefahren?

Seböck: Ich habe sicher berufsbedingt einen geschulten Blick für Bedrohungen – und das beeinflusst meine Wahrnehmung. Ich überprüfe Fluchtwege, denke bei Veranstaltungen an Sicherheitskonzepte. Aber ich bin kein Alarmist, ich sehe das pragmatisch. Terrorismus macht mir keine Angst, aber ich beobachte die Entwicklungen sehr genau und überlege, was man dagegen tun kann. Ja, es gibt Risiken, die können und müssen wir adressieren. Wir können gegen Extremismus in sozialen Medien vorgehen, indem wir toxische Algorithmen analysieren und regulieren. Wir können mit Deepfakes umgehen – technisch ist es machbar, auch wenn es aufwendig ist. Wir können Resilienz aufbauen, aber dafür braucht es Wissen, kritisches Denken und die Bereitschaft, Probleme zu benennen.

 

Welche Voraussetzungen sollten Menschen mitbringen, die sich für ein Studium am Department für Sicherheitsforschung interessieren?

Seböck: Wer sich für Sicherheitsforschung interessiert, sollte Neugier, technisches Verständnis und gewisse Vorerfahrungen mitbringen. Wir sind eine Universität für Weiterbildung, unsere unterschiedlichen Programme haben relativ klare Vorgaben, wer sich bewerben kann. Das kann beispielsweise jemand sein, der oder die im Bereich eines Unternehmens arbeitet, in dem Sicherheit eine Rolle spielt. Im Bereich Counterterrorism bewerben sich eher Personen aus dem nachrichtendienstlichen, polizeilichen oder militärischen Umfeld, die schon in irgendeiner Form mit dem Thema befasst waren. Für den Schwerpunkt Brandschutz sollte man in irgendeiner Form brandschutztechnische Vorerfahrungen haben. Und im Bereich Cybersecurity und KI sollten die Leute natürlich mit einer guten Portion Computerwissen zu uns kommen


WALTER SEBÖCK

Assoz. Prof. Mag. Dr. Walter Seböck, MAS MSc ist Leiter des Departments für Sicherheitsforschung an der Universität für Weiterbildung Krems. Er promovierte in Politikwissenschaft an der Universität Wien, schloss einen MBA in Informationstechnologie an der US-amerikanischen xxxx-Universität ab und in Krems das Weiterbildungsstudium Telematik. Weiters ist er Mitglied in verschiedenen Gremien, u.a. Vorstand im Kompetenzzentrum Sicheres Österreich.

LINK

Artikel dieser Ausgabe

Zum Anfang der Seite