Hochprofessionelle Beratung für Studieninteressierte und Technologie gestützte Begleitung ebnen den individuellen Bildungsweg. Im internationalen Wettbewerb müssen Institutionen den Studierenden ihre Alleinstellungsmerkmale präsentieren.

Von Jochen Stadler

Wer heute studieren will, steht vor einem vielfältigen Angebot an Bildungswegen mit zahlreichen Abzweigungen. Damit Interessierte den passenden Pfad einschlagen, benötigen sie gute Beratung, umfassende Informationen und Orientierungshilfen, erklären Expert_innen. „In erster Linie braucht es immer noch etwas ganz Klassisches, nämlich klar strukturierte Information“, sagt Stephanie Nestawal vom Department für Weiterbildungsforschung und Bildungstechnologien der Universität für Weiterbildung Krems: „Das Institut muss seine Studiengänge, Lehrpläne, Schwerpunkte, Zugangsvoraussetzungen und Berufsaussichten umfassend und übersichtlich präsentieren“. Zweitens wird die professionelle Studienberatung immer wichtiger, erklärt sie: „Es braucht wirklich gute Berater_innen, die über ein tiefes Verständnis der Bildungslandschaft verfügen und wissen, was am Arbeitsmarkt gebraucht wird“. Sie können Interessierte bei der Auswahl des richtigen Studienganges unterstützen und in individuellen Gesprächen Fragen zu unterschiedlichen Studienmöglichkeiten kompetent beantworten. Sie bieten Laufbahnberatung und zeigen Karriereentwicklungsmöglichkeiten auf. Anhand der Vorbildung der Interessierten formulieren sie realistische Studienziele und Karrieremöglichkeiten. Derzeit übernehmen Studiengangsleiter_innen an Hochschulen diese Rolle nebst vieler anderer (administrativer) Tätigkeiten, berichtet Nestawal. In Zukunft würde es vielleicht nötig sein, dass zusätzliche Berater_innen sie unterstützen.

Stephanie Nestawal

„Die traditionellen, statischen Lehrpläne und Bildungsmodelle könnten als brüchig betrachtet werden. “

Stephanie Nestawal

Der richtige Ort

„Die größte Herausforderung für jede akademische Einrichtung im heutigen Informationszeitalter besteht darin, wahrgenommen zu werden, und zwar auf die richtige Weise“, sagt Daniel Schuval von der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan, Israel: „Bis vor rund 30 Jahren konnten sie sich auf den Lorbeeren ausruhen, der Elfenbeinturm des Wissens zu sein, nach dem die Menschen suchen“. Das hat sich mit dem Aufkommen des Internets geändert. „Universitäten müssen den Studierenden zeigen, warum ihr tatsächlicher physischer Standort faszinierend und wert ist, ihn zu besuchen“, meint er. Dass die menschliche Umgebung und die Uni der richtige Platz für eine ausgezeichnete Ausbildung und zum Lernen spannender Neuheiten sind. Schuval will vor allem internationale Studierende für seine Uni gewinnen. Wegen der enormen weltweiten Konkurrenz müsse man ihnen ganz besonders gut zeigen, was die Institution einzigartig macht und welche Möglichkeiten sie ihnen bietet.

Technologie-gestützter Erstkontakt

Der Erstkontakt erfolgt meist über die Internetseite oder soziale Medien. Dort könnte man Selbstevaluierungstests anbieten, die Interessen, Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale der Interessierten identifizieren, sowie Kompetenzerwerbs- und Aufbaubaubedarfe ermitteln, so Nestawal: Anhand der Ergebnisse wären man Empfehlungen für Studienrichtungen und Karrierepfade möglich.

Einfache, immer wieder vorkommende Fragen der Studieninteressierten könnten Chatbots mithilfe KI (künstliche Intelligenz) rasch beantworten, meint Nestawal. Auch personalisierte Empfehlungen basierend auf bekundeten Interessen und Fähigkeiten wären möglich. Echtzeit-Videoberatung und Webinare als Informationsveranstaltungen könnten viele Interessierte erreichen. Anhand der Analyse von Trends in verschiedenen Branchen und Berufen kann KI Studierenden bei der Auswahl passender Kurse und Spezialisierungen helfen, die ihren Karrierezielen entsprechen, sagt Nestawal: „Ein weiterer Vorteil einer technologiebasierten Studienberatung ist, dass man hier gut das Feedback von Studieninteressierten sammeln und auswerten kann, um zu untersuchen, ob sie tatsächlich effektiv war“. Dementsprechend wären Anpassungen und Verbesserungen möglich.

Learning Analytics

Auch „Learning Analytics“, also die algorithmische Auswertung von Daten über Lernende, wird in Zukunft die Studierenden in ihrer Auswahl unterstützen, und helfen, die Studienprogramme besser zu machen. „Wir können die Daten dazu verwenden, um herauszufinden, welche Curricula für bestimmte Studierende am besten geeignet sind“, erklärt Gerti Pishtari vom Zentrum für Digitalisierung im lebensbegleitenden Lernen der Universität für Weiterbildung Krems: „Es macht wohl auch viel Sinn, solche Analyse zu verwenden, um den Studierenden bestimmte Kurse aufgrund ihrer Vorbildung und ihres aktuellen Lernstands vorzuschlagen“. Künstliche Intelligenz könne dabei viele verschiedene Faktoren gleichzeitig einbeziehen. Basierend auf den gewünschten Ausbildungszielen, würden dann Empfehlungen für Lehrveranstaltungen folgen. Als Beispiel nennt Pishtari etwa Didaktik- und naturwissenschaftliche Kurse für künftige Mathematik-Lehrer_innen. Ist die Expertise in einem gewissen Bereich verbesserungswürdig, würden unterstützende Kurse empfohlen.

Anti Dropout

Eines der größten Probleme an den Universitäten ist, wenn sie Studierende verlieren, die Programme und Kurse nicht abschließen. „Learning Analytics und künstliche Intelligenz können eine Rolle dagegen spielen, indem sie die Studierenden identifizieren, die mehr Unterstützung bräuchten“, sagt Pishtari: „Außerdem könnten sie schon vor einer Lehrveranstaltung Vorschläge machen, welche einführenden Kurse man vielleicht als Vorbereitung besuchen sollte“. Wenn die Fortschritte während eines Kurses Anlass zur Befürchtung geben, dass die Studierenden den Anschluss verlieren, könnten die Analysen dieses Straucheln erkennen und Empfehlungen geben, wie man Defizite ausgleicht. „Es gibt durch das sogenannte hybride Lernen schon sehr viele digitalisierte Lerninhalte, auf die man dann rasch zurückgreifen kann“, sagt der Experte: „Diese online zur Verfügung stehenden Materialien würden dann den Studierenden helfen, das jeweilige Thema besser zu verstehen und Wissenslücken aufzufüllen, um den Anschluss nicht zu verlieren.“

Neue flexible Formen

„Die traditionellen, statischen Lehrpläne und Bildungsmodelle könnten als ‚brüchig‘ betrachtet werden“, sagt Nestawal: „Sie sind anfällig für Versagen oder Ineffizienz angesichts von unerwarteten Veränderungen in Technologie, Wirtschaft, Gesellschaft“. Universitäten müssen ihre Lehrpläne flexibler und anpassungsfähiger machen, um auf schnelle Veränderungen reagieren zu können.

An der Universität Krems würde man daher vermehrt Kurzprogramme und „Stackable Programs“, also aufeinander aufbauende kombinierbare Programme anbieten. Dies ermöglicht hoch individuelle Karriereweg. „Sie bieten den lernenden Studierenden auch die Flexibilität, ihre Ausbildung gemäß ihrer individuellen Anforderungen und Zeitpläne zu gestalten“, erklärt sie: „Als Weiterbildungsuniversität können wir diesen Ansatz, flexible, nicht lineare Lernwege zu ermöglichen, freilich leichter verfolgen, als eine herkömmliche, traditionelle Universität, die ihre Inhalte auf Kohorten umstellt“. Doch auch dort seien schon Veränderungen sichtbar. „Das geht aber nicht von heute auf morgen in einer akademischen Kultur, die sich über Jahrhunderte hinweg etabliert hat“, so Nestawal: Hier muss man „peu a peu“ verändern, also scheibchenweise.

Qualität zeigen

Last but not least ist die Qualität in Lehre und Forschung ein wesentliches Kriterium, anhand dessen Studierende ihre Wahl für oder wider eine Institution treffen sollten. Bei öffentlichen Universitäten wie der Universität Krems garantiert dies unter anderem die Akkreditierung durch die AQ-Austria. "Interne Qualitätskriterien sind eine wesentliche Grundlage, um sicherzustellen, dass die Ausbildung höchsten Standards entspricht", so Nestawal. Diese sollten mit einer externen Bewertung ergänzt werden, betont sie: "Externe Akkreditierung durch etablierte Agenturen ist ein überzeugendes Zeichen für herausragende Qualität, ebenso wie die Zusammenarbeit mit anderen akkreditierten Hochschulen“. Auch Studienprogramme, die bei der europäischen Union (EU) eingereicht und nach der Bewertung einer externen Jury gefördert werden, demonstrieren, dass man als Uni auf hohem Standard arbeitet. „Das trägt sehr zu einem positiven Image bei“, sagt die Expertin.


STEPHANIE NESTAWAL

Dr.in Stephanie Nestawal studierte Geistes- und Wirtschaftswissenschaften in Wien und Liverpool (England). Sie ist stellvertretende Leiterin des Departments für Weiterbildungsforschung und Bildungstechnologien der Universität für Weiterbildung Krems und forscht zu organisationalem Lernen sowie strategischer Kompetenzentwicklung.

GERTI PISHTARI
Dr. Gerti Pishtari studierte Informationstechnologie an der Tallinn University in Estland. Er arbeitet am Zentrum für Digitalisierung im lebensbegleitenden Lernen der Universität für Weiterbildung Krems. Pishari erforscht Learning Analytics und künstliche Intelligenz zur Unterstützung von Lehrpraktiken.

DANIEL SCHUVAL
Daniel Schuval, PhD studierte Internationale Entwicklung am Warren Wilson College in Ashville und Gemeinschaftsverwaltung an der Yeshiva University in New York (USA). Er koordiniert an der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan, Israel unter anderem die Rekrutierung internationaler Studierender.

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