18.03.2021

Bei der Anrechnung von extern absolvierten Prüfungen oder von extern erworbenen Lernergebnissen auf Universitätsstudien stehen durch die geplante Novelle des Universitätsgesetzes (UG) 2002 grundlegende neue Regeln bevor: Die Anrechnung von Vorleistungen zu einem Studium soll künftig erleichtert werden. Im Online-Symposium Validierung und Anerkennung non-formal und informell erworbener Kompetenzen an Hochschulen, das am 25. Februar 2021 an der Donau-Universität Krems stattgefunden hat, brachten neben VertreterInnen von Hochschuleinrichtungen und -netzwerken aus dem In- und Ausland, sowie VertreterInnen der Hochschulverwaltung und der Forschung, auch aus- und weiterbildende Unternehmen ihre Sichtweisen auf die Rahmenbedingungen und damit verbundenen Erfahrungen und Herausforderungen ein.

Bei der Validierung von Lernergebnissen gibt es gemäß Universitätsgesetz 2002 die Verfahrensschritte Identifizierung, Dokumentation und Bewertung bereits erworbener Kompetenzen zum Zweck der Anerkennung als Prüfungen oder als andere Studienleistungen. Die Novelle des UG 2002 sieht vor, von der bislang handlungsanleitenden Idee der formalen Gleichwertigkeit von Lehrveranstaltungen abzugehen und stattdessen die Anerkennung von Kompetenzen in Form von Lernergebnissen in den Mittelpunkt zu stellen. Nicht ob der Aufwand gleichwertig war, sondern ob dieselben Lernergebnisse erzielt wurden, soll fortan die Entscheidungsgrundlage bilden. Ob ein wesentlicher Unterschied bei den Lernergebnissen festgestellt werden kann, ist von den Universitäten im Fall einer Nichtanrechnung zu belegen.  

Eine weitere wichtige Änderung betrifft, dass künftig auch Lernergebnisse aus Tätigkeiten angerechnet werden können, die in non-formalen und informellen Lernsettings wie der Erwachsenenbildung, in Online-Kursen oder selbst organisiert wie am Arbeitsplatz oder privat, also außerhalb des sequenziell gestuften, formalen Bildungssystem angeeignet wurden. Nach den gleichen Prinzipien anzurechnen sind wissenschaftliche Tätigkeiten, wissenschafts- oder ausbildungsbezogene Praktika außerhalb der Universität, künstlerische Tätigkeiten und kunstbezogene Praktika sowie berufliche Tätigkeiten mit pädagogischen Anteilen. Andere berufliche oder außerberufliche Qualifikationen können anerkannt werden. Insgesamt bis zu 90 ECTS-Punkte, was der Hälfte der in einem Bachelor-Studium zu erbringenden Leistungen entspricht, sollen künftig aus Prüfungen an anderen Einrichtungen, Berufspraxis oder anderen Qualifikationen für das Studium angerechnet werden können.

Wandel in der Anerkennungspraxis

Als öffentliche Universität für Weiterbildung, die seit Jahren selbst Verfahren zur Anerkennung non-formaler Qualifikationen entwickelt und praktiziert, würden diese Entwicklungen von der Donau-Universität Krems sehr aufmerksam verfolgt, so Vizerektor für Lehre und wissenschaftliche Weiterbildung Univ.-Prof. DDr. Thomas Ratka, LL.M. in seinen Begrüßungsworten. Für das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung erklärte MinR. Mag. Heribert Wulz, dass man mit der Novelle das Ziel verfolge, im Bereich des Anerkennungsrechts zu einem kulturellen Wandel zu gelangen. Dazu sei ein wichtiger erster Schritt, die Parameter anders zu setzen und die Anerkennungsmöglichkeiten weiterzuentwickeln. Auch die LLL-Strategie zum lebensbegleitenden Lernen für Österreich aus 2011 setzt auf die Zertifizierung von Qualifikationen unabhängig davon, wo sie erworben wurden, um mehr Durchlässigkeit im Bildungs- und Weiterbildungssystem zu erreichen. Der Grundgedanke, Menschen nicht durch Lernprozesse zu schicken, die sie bereits durchlaufen haben, ist dementsprechend auch im Sinne der Empfehlungen der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung (AQ Austria), die vom Bundesministerium vorab mit der Erstellung von Empfehlungen beauftragt worden war.

Grundlagen und Qualitätssicherung

Die Orientierung an Lernergebnissen bei der Beurteilung von Wissen und Kompetenzen sei  ̶  laut Dr. Thomas Pfeffer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Donau-Universität Krems  ̶  auch der steigenden Mobilität von Kompetenzen und Qualifikationen geschuldet. Den Trend zu kürzeren, stärker modularisierten Studienangeboten und der zunehmenden Verzahnung von Beruf und Studium, der nach neuen Formen und Formaten für Anrechnung verlange, betonte auch Prof. Dr. Eva Cendon von der Fernuni Hagen und der europäischen Vereinigung für universitäre Weiterbildung European University Continuing Education Network (EUCEN).

Institutionelle Zugänge österreichischer Hochschulen

Nach diesen einleitenden, generellen Überlegungen fokussierten sich Vorträge und Diskussionen in Kleingruppen-Sessions auf die unterschiedlichen Bereiche, die von der Thematik der Kompetenzvalidierung betroffen sind. Das sind einerseits die Hochschulen, die Regelungen für Validierungsverfahren von Lernergebnissen nach internen Standards in ihrer Satzung festlegen und Ressourcen für den Nachweis von studienäquivalenten Kompetenzen bereitstellen müssen. Über die entsprechenden institutionellen Zugänge ihrer Hochschulen klärten Univ.-Prof. Dr. Bernhard Fügenschuh, Vizerektor für Lehre und Studierende an der Universität Innsbruck, FH-Prof. Dr. Barbara Bittner, Rektorin der FH Campus Wien, und Univ.-Prof. DDr. Thomas Ratka, LL.M., Vizerektor für Lehre und wissenschaftliche Weiterbildung an der Donau-Universität Krems auf.

Praxisbeispiele von europäischen Universitäten

An anderen europäischen Universitäten wird das Thema der Validierung unter dem Kürzel RPL (recognition of prior learning) verhandelt und insbesondere auf die Gleichzeitigkeit von Lernen im Beruf und im Studium im Sinne einer erwachsenengerechten Weiterbildung eingegangen. Nina Maria Wachendorf, M.A. klärte über die Validierungspraxis der Hochschule Niederrhein auf und Deidre Goggin über die Gestaltung von Weiterbildungskooperationen mit ArbeitgeberInnen aus der Praxis der Munster Technological University in Irland. Einen ähnlichen Zugang zeigten Dr. Jon Talbot von der University of Chester in Großbritannien und Dr. Marjaana Mäkelä von der Haaga-Helia University of Applied Sciences in Finnland, wo bei der individuellen Entwicklung von Curricula der aktuelle Arbeitsplatz der Studierenden als Lernsetting im Studium miteinbezogen wird.

Bedarf aus der Praxis und Zertifizierungsmodelle

Eigene Zugänge zur Validierung von Kompetenzen werden auch in Unternehmen entwickelt. Insbesondere sogenannte integrierte Unternehmen wie die Wiener Linien, die nach dem Prinzip „alles aus einer Hand“ arbeiten, haben sehr anspruchsvolle Bedürfnisse bei der betrieblichen Aus- und Weiterbildung und damit einhergehend der Zertifizierung und Validierung, wie Andreas Kollegger und Markus Ossberger über die Unternehmensstrategie im Bereich Weiterbildung und konkrete Standardisierungsprozesse aus der Unternehmensausbildung berichten. Auch in den Bildungspfaden der Wirtschaftskammer Österreich und dem Austrian certificate of digital competence kommt der Gedanke der Validierung informeller, non-formaler und formeller Bildung als Mittel gegen den Fachkräftemangel beziehungsweise zur Befähigung zur mündigen Teilhabe an der digitalen Transformation zum Ausdruck, wie die Vorträge von Mag. Dr. Elisabeth Hassek-Eder, Wirtschaftskammer Österreich, und Mag. Dr. Burgi Recheis und Robert Fritz, ifdp – institute for digital participation, zeigten.

Die Zukunft von Validierungsprozessen

Der Vielfalt der daraus resultierenden konzeptiven Überlegungen für die Forschung widmeten sich Thomas Pfeffer, Ass. Prof. Dr. Filiz Keser Aschenberger, MA und Isabell Grundschober, BEd, BSc, MA, von der Donau-Universität Krems, die nach der Berufung von zwei weiteren Professuren nun insgesamt vier Lehrstühle mit dem Forschungsgegenstand Weiterbildung und ihre gesellschaftliche Wirkung unterhält. Neben der Entwicklung von Szenarien für die Validierung von Kompetenzen durch Univ.-Prof. Dkfm. Dr. habil. Attila Pausits wurden die Relevanz von akademischer Informationskompetenz und didaktischen Voraussetzungen für die Anerkennung von Berufserfahrungen als für die weitere Entwicklung zentrale Themen besprochen. Über ihre Erwartungen an zusätzliche Validierung für die Zulassungsprozesse von MigrantInnen sprach zudem Mag. Mag. Isabella Skrivanek basierend auf Erfahrungen aus dem Universitätslehrgang „Migrant Entrepreneurship Support CP“ an der Donau-Universität Krems.

Sind Validierungsfachkräfte die Zukunft?

Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Schlögl von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und dem Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) resümierte mit seinem Vortrag zu „Gemeinsamem in der Differenz“ zwischen Hochschul- und Erwachsenenbildung über die Herausforderungen im Bereich Validierung und Kompetenzanerkennung. Anhand eines Mappings von Validierungsverfahren demonstrierte er entlang der Aufsplitterung der Nachweistypen in sehr kleinteilige Prozesse eindrücklich die zentrale Herausforderung der Expertise in der fairen und nachvollziehbaren Beurteilung unterschiedlicher Nachweise.

Chancen und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen

Die Organisatoren der Tagung, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Oppl, MBA, Leiter des Departments für Weiterbildungsforschung und Bildungstechnologien, und Attila Pausits, Leiter des Departments für Hochschulforschung, betonen den herrschenden Bedarf bei der Forschung, aber auch die bestehenden Chancen, Forschungs- und Handlungsmöglichkeiten im Bereich Validierung und Kompetenzanerkennung, die auch Anregungen für Entwicklungen an den eigenen Institutionen geben können. Auch das Entstehen weiterer Initiativen auf Basis des entstandenen Dialogs wäre erfreulich, da sich gezeigt habe, wie relevant angesichts der sektoren- und ebenenübergreifenden Form der Thematik insbesondere die Schnittstellen sind.

Um mit Blick nach vorne auch Raum für weiteren Austausch und vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema zu schaffen, werden dem Symposium neben einem Aufruf für Beiträge zu einem Sammelband weitere Veranstaltungen sowie ein weiteres Symposium in zwei Jahren folgen.

Die vollständige Dokumentation der Veranstaltung ist auf der Webseite verfügbar.

 

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