In Nonndorf bei Gars lebten 2006 etwa 100 Einwohner:innen in etwa 30 Höfen und Häusern, die sich um einen Bach und eine kleine Kirche gruppieren. Nonndorf war früher eine eigene Gemeinde, hatte sechs öffentliche Gebäude, darunter eine Schule, weiters vier Gewerbetreibende, ein Gasthaus und eine Greislerei. Ende der 1960er Jahre wurde Nonndorf, wie so viele andere Kleinstgemeinden in Österreich, „eingemeindet“. Es gehörte nun als Katastralgemeinde zu Gars am Kamp.

Mittlerweile ist das Gasthaus geschlossen, ebenso die Greislerei, in der Kirche wird nur noch an zwei Tagen im Jahr Gottesdienst gehalten. Der Schulbesuch, der Kirchgang, Behördenwege – das alles wird in Gars oder in der Bezirksstadt Horn erledigt.

Das heutige Nonndorfer Dorfbild ist (fast) identisch mit der ersten Fotografie des Ortes aus dem Jahre 1898. Wären da nicht bestimmte Indizien – wie Kleidung, der Wechsel von Erdstraße auf Asphalt, oder die Fotoqualität – man könnte Fotos, die in den letzten hundert Jahren im Ort gemacht wurden, nur schwer zeitlich zuordnen.

Nonndorf steht exemplarisch für viele Dörfer im Waldviertel. Scheinbar zeitlos haben sie die letzten Jahrhunderte ohne wesentliche äußere Veränderungen überdauert. Straßen, Häuser, freie Flächen sind weitestgehend dieselben geblieben.

Nonndorf um 1900
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Postkarte, Sammlung Blaschitz

Nonndorf 2006
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Armin Bardel

Obwohl die Raumsituation und das Dorfbild weitgehend unverändert blieb, sind an der Nonndorfer Mikrogeschichte die jeweiligen (von außen beeinflussten) politischen, sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen abzulesen.

Waren früher beinahe alle Nonndorfer:innen in der dörflichen Landwirtschaft tätig, pendeln heute viele Dorfbewohner:innen zu externen Arbeitsplätzen. Die Schweinezucht, Haupteinnahmequelle vieler Familien seit den 1970er Jahren, wurde in den letzten Jahren immer weniger rentabel. Viele der großen Tierstallungen stehen heute leer.

Um grundlegende Veränderungen zu bemerken, muss das Innere der Häuser und Höfe betreten werden. Die Innenhöfe, die Wohninterieurs, die vorhandenen Gerätschaften und Objekte spiegeln Altersstruktur, ökonomische Möglichkeiten und Lebensstil der Dorfbewohner:innen.

Von außen betrachtet hat sich der Ort in den letzten 100 Jahren kaum verändert. Erst die Innensicht legt den Blick frei auf eine Vielzahl von Veränderungsprozessen, denen auch Nonndorf ausgesetzt war und ist.

Eine Geschichte des Ortes wurde bisher nie geschrieben. Nonndorf war zu klein, als dass sich die Geschichtsschreibung je damit befasst hätte. Selbst in lokalen Geschichtsbüchern oder Listen von regionalen Kulturgütern findet Nonndorf nur in zwei oder drei Sätzen Erwähnung. Da auch das ehemalige Gemeindearchiv verloren gegangen ist, kann die Geschichte des Dorfes und seiner Bewohner:innen heute weitestgehend nur über private Quellen und Sammlungen rekonstruiert werden.

Im Projekt „Nonndorf inside out“ (2006-2007) wurde am Beispiel eines kleinen Waldviertler Ortes gezeigt, wie sowohl gemeinsam mit den Dorfbewohner:innen und mit Hilfe von Fotoalben, Familiensammelstücken, Familienbildern und Interviews Geschichte rekonstruiert als auch mit Hilfe der künstlerischen Fotografie das gegenwärtige Dorfleben festgehalten und damit ein Beitrag zu einem gemeinsamen Gedächtnis geleistet werden kann.

Erinnerungswerkstatt
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Armin Bardel

Die Nonndorfer Bevölkerung beschäftigte sich in ihrer Suche nach historischen Bildern, Erfahrungen und Gegenständen mit ihrer Vergangenheit und setzte sich aber ebenso bewusst mit aktuellen Geschehnissen auseinander

Am Beispiel der Mikrogeschichte von Nonndorf wurde aufgezeigt, welchen externen Veränderungsprozessen kleine Dörfer in wirtschaftlich benachteiligten Regionen unterworfen sind, wie sie diese Veränderungsprozesse übernehmen und in welchen Bereichen sie trotz äußerem Veränderungsdruck Kontinuität bewahren.

Infobox

Projektdauer: 2006-2007
Umsetzung: historische Forschung, künstlerische Fotografie, Bürger:innenbeteiligung.
Durchgeführt von: Edith Blaschitz (historische Forschung, Erinnerungswerkstatt, Interviews), Armin Bardel (künstlerische Fotografie, Dokumentation des gegenwärtigen Dorfes), Gerold Wucherer (künstlerische Assistenz) gemeinsam mit dem Dorferneuerungsverein Nonndorf
Gefördert von: NÖ Dorf- und Stadterneuerung

Ergebnis & Literatur
Blaschitz, Edith / Bardel, Armin /Wucherer, Gerold (2007: Nonndorf. Rückschau- Einblicke- Aussichten. Weitra: Bibliothek der Provinz.

Galerie

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